Faulspiel (German Edition)
ist denn passiert? War es vielleicht ein Unfall oder wirklich Selbstmord?“
„Genaues weiß ich auch noch nicht. Ich habe heute Morgen über Dpa-Ticker die neusten Nachrichten und Informationen erhalten. Da stand nur, dass man Abraham erhängt in seinem Büro gefunden habe. Näheres erfahre ich im Laufe des Tages.“
„Was soll denn die ganze Scheiße? Erst Kranbaum, jetzt Abraham, wer ist denn der nächste? Das kann doch alles nicht wahr sein!“
Max konnte seine Aufregung und Bestürzung nicht mehr zurückhalten.
„Da wird offensichtlich einigen Leuten der Boden unter den Füßen zu heiß. Wenn man in einem Eimer Scheiße rührt und ihn dann umkippt, dann kommt da nur Scheiße raus, und es stinkt auch danach. Und zwar ganz gewaltig!“
Marcel Runge konnte seine Schadenfreude kaum verbergen. Es erfüllte ihn mit Genugtuung, dass einige dieser Verbrecher zur Verantwortung gezogen wurden, auch wenn sie sich selbst oder gegenseitig umbrachten.
„Ich halte dich auf dem Laufenden, konzentriere dich auf deinen Job, auch wenn es dir schwer fällt. Du kannst so oder so nichts mehr daran ändern. Die beiden haben nur ihre gerechte Strafe bekommen; manchmal holen dich halt die Sünden deines Lebens schneller ein, als dir lieb ist.“
Marcel Runge legte auf.
Einerseits war er froh darüber, dass die Zahl dieser Bastarde sich um einen weiteren verringert hatte, doch andererseits ärgerte es ihn, dass sich Abraham auf diese feige Art und Weise der Verantwortung entziehen konnte. Er hätte ihm zu gerne höchstpersönlich den Garaus gemacht.
In diesem Moment musste Marcel an seine verstorbene Frau Mia denken. Siehst du, Kleines, wir kommen dem Ziel immer näher, genau, wie ich es dir versprochen habe. Still summte er eine Melodie vor sich hin: Unchained Melody von den Righteous Brothers. Es war Mias Lieblingssong.
Sein alter Peugeot hatte die Steigungen zwischen Bern und dem Genfer See mit Bravour genommen. Nun befand er sich kurz vor Macon in Südfrankreich, bis Cluny waren es noch 35 Kilometer. Runge wollte endlich seinen Sohn wiedersehen, weshalb sie sich bei seinem alten Freund Jean Pierre verabredet hatten. Außerdem wollte er Mias Grab besuchen und ein langes Gespräch mit seiner Frau führen.
Cluny liegt im Departement Saone-et-Loire in der Region Burgund. Ein malerischer Ort, in dem man ganz nach Belieben die Seele baumeln lassen konnte.
Der Ort wurde bekannt durch das Kloster der Cluniazenser, das bis ins 18. Jahrhundert der größte Kirchenbau der Christenheit war. Die Abteikirche wurde während der FranzösischenRevolution zerstört und später im 20. Jahrhundert nach alten Vorlagen und Entwürfen wieder aufgebaut.
Jean Pierres Haus lag oberhalb der Abtei. In einer kleinen Seitenstraße und wurde umsäumt von einer alten Bruchsteinmauer.
Vor dem antiken Gemäuer stellte Runge seinen alten Peugeot ab und betrat den Garten, den Jean Pierre mit seiner Frau Luise mit viel Liebe angelegt hatte. Mitten in dem Garten stand eine mehr als 150 Jahre alte Kastanie mit einer blauen Bank darunter. Jean Pierre saß auf der Bank, ihm gegenüber saß sein Sohn Robert.
Runge spürte, wie sein Herz pochte, als er seinen Sohn und seinen alten Freund betrachtete. Wie gerne hätte er ein einfaches Leben ohne große Probleme geführt. Doch sein Schicksal hatte ihm einen anderen Weg gewählt, und er konnte seiner Bestimmung nicht entfliehen.
Sie begrüßten sich herzlich. Robert erzählte von der Stelle in der Anwaltskanzlei in Paris, die er nach seinem Studium annehmen würde und von seinem täglichen Allerlei an der Sorbonne, von seinen Freunden und davon, dass er seiner Meinung nach jetzt endlich die Frau für sein Leben gefunden habe.
Runge spürte, wie sich seine Brust mit Stolz füllte, Stolz darüber, dass Robert so eine prächtige Entwicklung gemacht hatte. Ihm stand die Zukunft offen. Eine Zukunft mit beruflichem Erfolg und einem ruhigen, erfüllten Leben.
Er war Jean Pierre unendlich dankbar dafür, dass er Robert dieses Leben ermöglichen konnte. Sein Freund war eigentlich ein alter Haudegen, der viele Jahre in der Fremdenlegion gedient hatte. Irgendwann war er des Kämpfens müde und genau zu dieser Zeit hatte er Luise kennen gelernt.
Ein zartes Geschöpf von Frau, die vom Äußeren eigentlich gar nicht zu Jean Pierre passte. Aber sie hatten gegenseitigihre Erfüllung und ihren Lebensmittelpunkt in Cluny, dem Ort mit der geschichtsträchtigen Vergangenheit, gefunden. Hier konnte Robert nach Mias Tod
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