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Faulspiel (German Edition)

Faulspiel (German Edition)

Titel: Faulspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Noa
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hatte. Er war sich der Gefahr, in der er schwebte, immer bewusst und wusste zu genau, dass er darauf Acht geben musste, den Bogen nicht zu überspannen.
    In dem dunklen Gefährt, das ihm schon seit seiner Abfahrt aus Cluny folgte, befand sich mit absoluter Sicherheit derKerl, der Jean Pierre und ihn bereits seit Tagen beschattete. Jean Pierre gegenüber hatte Runge sich so verhalten, als sei ihm ihr Verfolger nicht aufgefallen.
    Als er sich von seinem alten Freund in Cluny verabschiedet hatte, hatte es ihn unglaubliche Mühe gekostet, den skeptischen Legionär davon zu überzeugen, dass er sich ohne besondere Gefahr allein auf den Weg zum Genfer See machen könne. Nach einer schier endlosen Diskussion ließ ihn sein Freund schließlich gewähren.
    Der Sportreporter warf erneut einen Blick in seinen Rückspiegel. Sein Verfolger klebte immer noch wie eine Klette an ihm. In dem Scheinwerferlicht seines Peugeots erschien das Hinweisschild Richtung Genf, Nyon und Lausanne. Hier würde er die Autobahn verlassen und schon nach wenigen Kilometern auf die Passstraße gelangen, die ihn direkt zum Grand Lac führen würde.
    Im Autoradio lief gerade ein alter Elvis Song. Das Lied erinnerte ihn an seine Kindheit, da sein Vater ein ausgesprochener Fan des amerikanischen Rock’n’Roll-Interpreten gewesen war.
    Marcel Runge wurde Anfang der fünfziger Jahre im tiefsten Ruhrgebiet geboren, und seine Eltern gehörten zu der Generation, die noch sehr unter den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zu leiden hatte. Zu der Zeit befand sich das zerstörte Deutschland sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Aufbau. Konrad Adenauer war im September 1949 zum ersten deutschen Bundeskanzler gewählt worden, und die gerade gegründete junge Republik war darum bemüht, mit den Sünden der Vergangenheit zu leben. Die vom Krieg gebeutelte Bevölkerung versuchte wieder, einen neuen, funktionierenden Staat aufzubauen.
    In den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen hatten die alliierten Siegermächte einen Teil der Hauptverantwortlichenfür die deutschen Schandtaten während der nationalsozialistischen Diktatur zur Verantwortung gezogen. Nachdem 1949 der letzte Richterspruch gefällt worden war, und die meisten Angeklagten ihre gerechte Strafe erhalten hatten, konnte die deutsche Bevölkerung mit dem Aufbau ihres am Boden liegenden Heimatlandes beginnen.
    Das Ruhrgebiet hatte die Zerstörungswut der alliierten Bomberpiloten, neben vielen anderen deutschen Industriezentren, am härtesten getroffen. Die Menschen waren nicht nur damit beschäftigt, ihre ausgebombten Städte wiederaufzubauen, sondern hatten daneben in erster Linie mit einer gravierenden Identitätskrise zu kämpfen. Große Teile des deutschen Volkes hatten ihr Selbstwertgefühl als autonome Nation verloren. Das nationale Selbstbewusstsein war am Boden zerstört, und die Familien, die sich in den Wirren des Krieges verloren hatten, waren auf der Suche nach ihren Wurzeln.
    So erging es auch der jungen Familie Runge.
    Siegfried Runge hatte seine unzähligen Fronteinsätze als Offizier der deutschen Wehrmacht zum Glück relativ unbeschadet überstanden. Er war während der Ardennenoffensive im Winter 1944 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten.
    Nach einem überhasteten Rückzug der deutschen Truppen war der Offizier von einer französischen Kampfeinheit gefangen genommen worden. Der Befehlshaber der Franzosen hatte ihm mit einem eindeutigen Befehl an seine Untergebenen das Leben gerettet, ansonsten wäre er hingerichtet worden. Gerade die französischen Truppen machten zu dieser Zeit keine Gefangenen. Jeder deutsche Soldat, dem sie habhaft werden konnten, wurde meist unmittelbar erschossen. Der französische Offizier, der dafür sorgte gesorgt hatte, dass Siegfried Runge und seine übrigen Kameradenverschont und in ein amerikanisches Gefangenenlager verbracht wurden, hieß Marcel Dubois. Siegfried Runge verband in den Jahrzehnten danach eine tiefe Freundschaft mit dem Franzosen.
    Nach Beendigung des Krieges kehrte er in seine Heimatstadt im Ruhrgebiet zurück. Hier lernte er in einem der wenigen, noch funktionsfähigen Militärlazarette die Krankenschwester Frieda kennen. Mit einer Engelsgeduld hatte sie ihm die unzähligen Granatsplitter, die sich in den letzten Kriegstagen während der amerikanischen Offensive in seine Haut gegraben hatten, entfernt. 1951 führte er sie zum Traualtar. Ein Jahre später gebar Frieda einen strammen Jungen, den das junge Ehepaar in

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