Faulspiel (German Edition)
Erinnerung an den Mann, der seinem Vater das Leben gerettet hatte, auf den Namen Marcel taufte.
Marcel wuchs in behüteten, kleinbürgerlichen Verhältnissen der aufstrebenden Bundesrepublik auf. In seiner Familie galten strenge Regeln, die sein Vater aufgrund seiner militärischen Vergangenheit aufstellt hatte und die er eisern überwachte. Neben seiner schulischen Ausbildung gehörten die Attribute Ehre, Gewissen, Treue, Mut und Zielstrebigkeit zu den Lebensinhalten, auf die sein Elternhaus besonderen Wert legte.
Sein Vater, der nach dem Krieg die mittlere Beamtenlaufbahn in der Verwaltung seiner Heimatstadt eingeschlagen hatte, war ein Mann mit eisernen Prinzipien. Er hatte immer besonderen Wert darauf gelegt, dass sein Sohn von ihm die Wesenszüge übernahm, die ihn während seiner militärischen Vergangenheit ausgezeichnet hatten.
Frieda, seine Mutter, nahm die für die damaligen Verhältnisse typische Rolle einer deutschen Ehefrau ein. Sie hütete das kleine Reihenhaus, in dem sie lebten, und versorgte die Familie.
Marcels schulische Leistungen waren überdurchschnittlich gut. Das Lernen fiel ihm ausgesprochen leicht, und sein sympathisches Wesen sorgte dafür, dass er sowohl bei seinen Lehrern als auch bei seinen Mitschülern äußerst beliebt war.
Seine Freizeit verbrachte er überwiegend auf dem Sportplatz, wo er in der Jugendmannschaft eines lokalen Fußballvereins, allerdings nur mit mäßigem Erfolg, spielte. Dennoch gehörte der Fußballsport wie bei den meisten seiner Altersgenossen zu einem seiner wichtigsten Lebensinhalte.
1954 durfte die deutsche Fußballnationalmannschaft das erste Mal nach dem Krieg wieder an einer Weltmeisterschaft teilnehmen, und das so genannte Wunder von Bern trug einen erheblichen Anteil daran, dass das deutsche Volk sein Nationalbewusstsein und sein Selbstvertrauen wiederfand.
Der jugendliche Marcel Runge wurde während seiner Adoleszens von den neuen Nationalhelden begleitet, die der deutsche Fußball zu jener Zeit hervorgebracht hatte. Es waren Männer wie Helmut Rahn, Fritz und Othmar Walter sowie der junge Uwe Seeler, die die neuen Idole der deutschen Jugend ausmachten. Besonders im Ruhrgebiet erhielt der Fußball durch seine Traditionsmannschaften einen besonderen Stellenwert.
Als der BV-Borussia-Dortmund 1966 vor 41500 Zuschauern in Glasgow den FC Liverpool mit 2 : 1 nach Verlängerung schlug und sich damit den Europapokal der Pokalsieger sicherte, wurden die Dortmunder Spieler in ihrer Heimatstadt wie Volkshelden gefeiert. Die Jubelstürme nahmen kein Ende. Spätestens damit hatte das Ruhrgebiet seine unumstößlichen Helden gefunden.
Der erste große Fußballskandal aus der Bundesligasaison 1970/71 beeinflusste als eines der eklatantesten Ereignisse in der deutschen Fußballgeschichte die Berufsfindung desjungen Mannes. Die skandalösen Betrügereien, die zu der Zeit an die Öffentlichkeit kamen, erschütterten seinen bis dahin unumstößlichen Glauben an die Sauberkeit des Sports bis ins Mark. Nach seinem Abitur absolvierte Marcel an der Universität Heidelberg ein Studium der Journalistik und Publizistik, das er einige Jahre später mit Erfolg abschloss.
Nachdem er ein Volontariat bei einer lokalen Zeitung in Heidelberg beendet hatte, führte ihn sein Weg wieder zurück in seine Heimatstadt. Hier arbeitete er geraume Zeit als Sportredakteur bei einem Ruhrgebietsverlag. Das Misstrauen, das sich tief in seinem Inneren eingepflanzt hatte, ließ ihn nie wieder los, und er legte neben seiner täglichen Routinearbeit sein Hauptaugenmerk darauf, Fußballskandale zu recherchieren und aufzudecken. Während seiner Tätigkeit als Sportredakteur lernte er seine spätere Ehefrau Mia kennen, die ihn bis zu ihrer Schwangerschaft regelmäßig auf seinen Reisen kreuz und quer durch die Republik begleitet hatte. Mia war für Marcel Runge die Quelle, aus der er die Kraft schöpfte, die er benötigte, um seine beruflichen Ziele zu erreichen. Sie war auch diejenige, die ihn in seinen Recherchen bezüglich der großen Sportskandale grenzenlos unterstützt hatte.
Mit sicherer Hand steuerte der Reporter sein altes Gefährt über die enge Passstraße. Bei Saint-Genis-Pouilly überquerte er die Schweizer Grenze. Inzwischen hatte es zu regnen angefangen. Der Wind frischte stark auf, und die Regentropfen prasselten in einem unablässigen Stakkato auf die Windschutzscheibe. Die altersschwachen Scheibenwischer des Peugeots wurden der Wassermassen, die der Himmel ausschüttete, kaum
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