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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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einer Erkenntnis, die Jade ebenso sprachlos wie wütend machte: dass die besten Spione sich als Freunde tarnten. Verraten und verkauft , schoss es ihr durch den Kopf. Tanía hat nicht gelogen: Ich weiß nicht alles. Genauer gesagt weiß ich nicht einmal einen Bruchteil. Ob Nell eingeweiht gewesen war?
    Doch dann dämmerte ihr, dass etwas an dieser glatten Geschichte ganz und gar nicht stimmte.
    Was bedeutete es, dass Lilinn einen Spiegel der Tandraj-Könige im Larimar versteckte? Hatte sie von der Natur der Echos gewusst, aber Tanía und den anderen nichts davon gesagt? Und noch etwas passte nicht. Spiegel und Karten im Keller. Der Keller war überflutet, für Karten aus Papier oder Leder wäre kein Raum trocken genug gewesen. Zumindest nicht die Räume, zu denen Jade Zutritt hatte. Und sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Jakub seiner Geliebten den Schlüssel zu dem sorgfältig gehüteten blinden Raum gegeben hatte.
    »Wo bringt ihr sie hin?«, rief Jade, als Lilinn gefesselt und zum Wagen geschleppt wurde.
    »Zu den anderen«, erwiderte der ältere Jäger.
    *
    Von Weitem sah es aus, als wäre der Markt vor der Kirche wieder zum Leben erwacht, so viele Menschen trieben sich auf dem Platz herum. Wagen wurden ausgeladen, Lastenträger traten sich im Gewühl auf die Zehen. Es war ein trügerisches Bild von Normalität, das nur die unzähligen Gewehre und die Kommandos, die über den Platz gellten, Lügen straften. Jade wollte sich eben zwischen einigen Schaulustigen nach vorne drängen, als eine Hand sie an der Schulter packte. Sie fuhr herum und blickte in Manus verschwollenes Gesicht. Jemand musste ihm mit der Faust gegen das Jochbein geschlagen haben.
    »Geh da bloß nicht näher ran«, sagte er warnend.
    »Was ist denn mit dir passiert?«, flüsterte sie ihm zu.
    Manu versuchte, lässig auszuspucken, was ihm nicht besonders gut gelang.
    »Sie haben mich verprügelt, als ich in die Nähe der Käfige kam. Sieh dir die Schande an!«
    Jade stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte in die Richtung, in die er deutete. Eisenkäfige. Mindestens fünfzig davon standen vor dem Portal der Kirche. Die meisten von ihnen waren kaum groß genug für einen Galgo.
    »Sie haben Simon vom Schwarzmarkt verhaftet«, knurrte Manu und tastete vorsichtig an seiner geschundenen Wange herum. »Dabei ist er nur ein armer Trottel! Wenn er betrunken ist, schwingt er große Reden, aber er gehört nicht zu der Verschwörung, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Aber sie haben mich verdroschen, als ich zu ihm wollte.«
    Jade blickte mit Unbehagen zum gläsernen Kirchturm. Er wirkte wie ein Gefesselter, so viele Seile mit Eisenhaken hingen bereits von den Vorsprüngen und auch von den Glaszinnen des länglichen Dachs des Kirchenschiffs. Direkt neben der Kirche wurden Wagen abgeladen und Seile über Flaschenzüge gespannt. Es wirkte wie ein gut geprobtes Schauspiel. Nicht weit von ihr wurden zwei Gefangene aus einem Wagen geführt. Sie waren ausgemergelt und konnten sich kaum auf den Beinen halten. Ihre Haut war so blass, als hätten sie seit Monaten kein Tageslicht gesehen. Sie blinzelten verwirrt in der Sonne und wehrten sich vor Schwäche kaum, als sie in einen Käfig gepfercht wurden. Jade bemerkte, dass die kleinere Gestalt eine Frau mit mausbraunen Haarstoppeln und doppelt durchstochenen Ohrläppchen war. Über das Lilienzeichen an ihrem Unterarm war ein schwarzes Gittermuster tätowiert worden – das Zeichen, das alle Verurteilten bekamen, sobald sie die Gefängnisinsel betraten. Die eiserne Tür des Käfigs fiel zu, dann straffte sich auf den Wink eines Jägers das Seil und der Käfig wurde in schnellen Rucken nach oben gezogen. Dann kam schon der nächste Gefangenentransport. Immer wieder schrien Leute in der Menge auf und begannen zu weinen und zu rufen, als sie in den Gefangenen tot geglaubte Freunde und Familienmitglieder wiedererkannten.
    »Sie hängen sie an der Kirche auf«, zischte Manu und spuckte aus. »Ohne Wasser und Nahrung, der prallen Sonne ausgesetzt. Die halten höchstens drei Tage durch. Verdammte Barbarei!«
    »Das ist also die Frist«, sagte Jade mehr zu sich selbst als zu Manu. Sie hätte verängstigt sein müssen und vor Empörung außer sich, aber seltsamerweise war sie mit einem Mal völlig ruhig. Sie fühlte nur noch zwei Dinge: kalte, überlegte Entschlossenheit und einen verzehrenden, heißen Zorn.
    »He, was hast du vor?« Manu packte Jade am Arm. »Geh da nicht hin! Sie treiben die

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