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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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weiter vor.
    »Du auch.«
    Das konnte nur ein Ausländer sagen. Ihr Name war für Städter völlig gewöhnlich.
    Stille.
    »Du heißt einfach nur Faun?«, fragte Jade. »Kein Nachname?«
    Die Augen des Nordländers wurden ein wenig schmaler, jede Faser seines Körpers wirkte angespannt, und obwohl die spiegelnden Reflexe der Wila über sein Gesicht glitten, zwinkerte er kein einziges Mal. Er schien sich die Entscheidung, ob er weiter mit ihr sprechen sollte, nicht leicht zu machen.
    Warum kann er mich nicht leiden?, dachte sie. Welches Recht hat er, mich anzusehen, als wollte er mich schlagen?
    »Ich mache mir nicht viel aus Namen«, sagte er nach einer Weile und wandte den Bück wieder ab, als wäre ihr Anblick etwas Unerträgliches.
    »Wollte die Lady euer Geschenk nicht?«, fragte Jade spöttisch und deutete mit einem Rucken des Kinns zur Kiste.
    »Bei manchen Geschenken hat man keine Wahl«, erwiderte Faun leise. Aus irgendeinem Grund fröstelte sie. Ein Schatten stand im Raum, und in der Kiste atmete etwas, sie konnte es mehr spüren als hören. Sie wusste nicht, warum, aber sie hatte das Gefühl, dass das Tier in der Kiste auf sie lauerte. Es kann Menschen nicht ausstehen , erinnerte sie sich an Martyns Worte.
    Faun senkte den Blick. »Gib mir den Schlüssel«, sagte er.
    Jade verschränkte demonstrativ die Arme.
    »Bitte«, fügte er betont deutlich hinzu, doch das klang erst recht wie eine Drohung. Jade zögerte, doch dann beschloss sie, dass sie sich sicherer fühlen würde, wenn der Saal nachts verschlossen wäre. Sie hatte ohnehin keine Wahl. Wenn sie Faun den Schlüssel nicht gab, würde ein Jäger dafür sorgen, dass er ihn bekam.
    Zögernd hakte sie den Schlüssel von dem Ring los. Faun streckte die Hand aus.
    Das würde dir so passen, dachte Jade grimmig. Keinen Schritt komme ich dir entgegen.
    Seine Hand verharrte in der Luft. Sie war sehnig und schlank, mit einer schönen Form. Der Mittel- und der Ringfinger waren gleich lang. Und am Unterarm – genau dort, wo die Haut am empfindlichsten war – prangte ein Tattoo: ein schwarzes Feuer. Flammenzungen leckten über Sehnen und die fein gezeichneten Erhebungen der Adern. Beinahe tat es weh, das schwarze Zeichen auf der makellosen Haut zu sehen. Und mit einem Mal wusste Jade, was ihr vorhin so seltsam erschienen war. Faun hatte kein einziges Muttermal, keine Sommersprosse, keine Narbe.
    »Was ist das für ein Zeichen?«, fragte sie.
    Er blitzte ihr einen Blick herüber, der sie wie eine Ohrfeige traf, und zog seine Hand zurück.
    Eben noch hatte sie sich über Jakubs Jähzorn geärgert, nun schoss ihr selbst das Blut in die Wangen.
    »Was ist los mit dir?«, schnappte sie. »Ist es so schwer, mir eine einfache Frage zu beantworten? Habe ich dir irgendetwas getan? Ich hätte viel mehr Grund, auf dich wütend zu sein. Wegen dir hätte mein Vater erschossen werden können!«
    Er hob die Brauen und verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. »Dein Vater ist ein jähzorniger Mann«, antwortete er ruhig. »Und das ist ganz bestimmt nicht meine Schuld.«
    Dazu fiel Jade keine Erwiderung ein – denn leider hatte er recht.
    »Und warum hast du Tam überredet, die Kisten nach oben schaffen zu lassen? Wäre hier nicht genug Platz gewesen?«
    »Doch.«
    »Dann hast du den Vorschlag nur wegen mir abgelehnt?«
    »Ja«, antwortete er und überraschte sie damit ein zweites Mal.
    Das Schweigen wurde unangenehm. Fieberhaft suchte sie nach Worten, nach einer neuen Frage, die ihm einige weitere Antworten entlocken konnte, doch ihr Kopf war plötzlich leer.
    Was mache ich hier? , schalt sie sich. Er will nicht mit mir reden, er kann mich nicht einmal leiden. Seltsamerweise machte diese Erkenntnis sie traurig.
    Er leckte sich nervös über die Lippen. »Den Schlüssel!«, sagte er mit Nachdruck. Jade schluckte. Die Enttäuschung traf sie wie ein kalter Windstoß und ließ sie frierend zurück. Aber was hatte sie erwartet?
    »Hier, bitte schön«, sagte sie und streckte ihm den Schlüssel hin. Einige Sekunden standen sie reglos da, fünf Schritte voneinander entfernt, dann gab Faun das stumme Kräftemessen auf und kam auf sie zu. Für einen Augenblick wusste sie nicht, welcher Wunsch stärker war: Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen oder ihm entgegenzugehen. Als sie den Schlüssel in seine Handfläche fallen ließ, berührten sich ihre Finger. Eine flirrende Sekunde lang sahen sie sich an – es war wie ein kleiner, warmer Schauer in ihrem Inneren. Und da war noch

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