Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
ihnen.«
    »Dann hat er wohl vergessen zu sagen, dass sie uns nicht zerfleischen sollen!«
    Seine Augen schienen vor Zorn Funken zu sprühen. »Du warst gewarnt, oder nicht? Verstehst du denn immer noch nicht? Wenn Tam will, kann er sehen, was die Vögel sehen. Sie sind seine Augen.«
    Jade schauderte. Spione also. Späher der Lady. Gab es eine bessere Möglichkeit, eine Stadt zu überwachen, als mit Vögeln, die als Augen dienen konnten?
    »Dann habt ihr gar keine Echos getötet?«
    Faun sah sie an, als wäre sie nicht bei Sinnen.
    »Denkst du an nichts anderes?«, zischte er. »Und jetzt verschwinde endlich, bevor Tam dich findet!«
    Gerade wollte er das Messinggitter aufziehen, als der Fahrstuhl sich mit einem Ruck in Bewegung setzte und in Richtung Erdgeschoss fuhr. Fauns Miene verwandelte sich ganz und gar. Furcht warf einen Schatten auf seine Züge. Zum ersten Mal sah Jade wieder den anderen Faun und es gab ihr einen Stich.
    »Tam ist unten!« Panik schwang in seiner Stimme mit und auch Jade wurde auf der Stelle siedend heiß. Wenn Tam sie sah, mit den Wunden von Schnabelhieben …
    »Heb mich hoch!«, befahl sie. »Ich steige durch die Revisionsklappe aufs Kabinendach, na los!«
    Keine Sekunde später fühlte sie sich von zwei starken Armen umfangen und hochgerissen. Zwar verzog Faun das Gesicht vor Schmerz, als er seinen Arm belastete, doch er hielt Jade fest – etwas zu fest. Einen zeitlosen Augenblick lang, die gestohlene Sekunde zwischen Entdeckung und Flucht, verharrten sie in dieser seltsamen Umarmung. Erst als der zweite Stock vorbeiglitt, griff Jade nach oben, entriegelte die Klappe, machte einen Klimmzug und stützte den Fuß auf Fauns Schulter auf. Dann zog sie sich blitzschnell auf das Dach der Fahrstuhlkabine. Fauns Gesicht schwebte unter ihr – maskendunkel, hager und von Sorge gezeichnet.
    »Wir reden morgen!«, flüsterte sie. »Ich komme zu dir und …«
    Er schüttelte heftig den Kopf. »Hast du es immer noch nicht verstanden?«, knurrte er. »Ich kann dich nicht leiden, also bleib mir endlich vom Leib, klar?«
    Mit diesen Worten langte er nach oben und schlug ihr die Klappe vor der Nase zu. Er sperrt mich aus – wieder einmal , dachte Jade. Sie richtete sich auf und atmete krampfhaft durch. Das Klacken dröhnte in ihrem Kopf. Beinahe hätte sie den Moment verpasst, als das Messinggitter im ersten Stock an ihr vorbeischwebte. Gerade noch rechtzeitig sprang sie, klammerte sich an das Gitter und kletterte in den Flur, während die Kabine im Schacht weiter nach unten fuhr. Dann stand sie im ersten Stock, benommen, verwirrt und blutend. Doch noch mehr als die Wunden der Schnabelhiebe schmerzten Fauns Worte.

Schädel und Dornen
    Die Truppen waren verstärkt worden, es gab neue Verhaftungen. Und zu allem Überfluss schienen sich in den Turbinen am Grunde des Flusses Algen oder zerrissene Netze verfangen zu haben. Mehrmals fiel der Strom aus, auch im Larimar flackerten die Lichter und erloschen und Jakub musste den Fahrstuhl per Hand mühsam mit der Notwinde ins vierte Stockwerk kurbeln. Jade wusste, was das bedeutete: Martyn und Arifs Leute würden sich um die Turbinen kümmern müssen, bevor die dünnen Turbinenblätter sich in der starken Unterströmung verbogen.
    Jedes Mal wenn Jade beobachtete, wie Tam das Haus verließ – verfolgt von seiner Schar geflügelter Spione, die sich vom Dach und aus Mauerritzen fallen ließen –, ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Allein die Vorstellung, was Jakub nach Tams Abreise beim Anblick der verwüsteten Prunkräume sagen würde, tat ihr weh. Sie selbst hatte sich in den Ostflügel verkrochen, so weit weg von den Prunkräumen und vom Bankettsaal wie möglich. Es war ein Raum im zweiten Stock. Er hatte noch stabile Fensterläden, die den Blauhähern keine Möglichkeit bieten würden, in das Zimmer zu gelangen. Das Tagebuch und ihre anderen Kostbarkeiten aus dem blauen Zimmer hatte sie unter dem Bett verstaut, einem schwarzen Ungetüm aus verwittertem Ebenholz.
    Faun ging sie bei jeder Gelegenheit aus dem Weg. Das Schlimme waren nicht einmal die Beleidigung und die Abneigung, die er ihr entgegenbrachte, das Schlimme war die Tatsache, dass sie nicht aufhören konnte, an ihn zu denken. Je wütender sie auf ihn war, desto öfter wachte sie nachts mit klopfendem Herzen auf, weil sie glaubte, sein Lachen zu hören. Einmal, als sie sich bis zur Greifenbrücke wagte, entdeckte sie ihn auf der anderen Flussseite. Er stand am Rand der toten Stadt und betrachtete

Weitere Kostenlose Bücher