Faunblut
tun«, erwiderte sie frostig. »Vieles im Hotel ist beschädigt und muss repariert werden.«
Sie hatte erwartet, dass Tam ertappt aussehen würde, aber er blieb völlig ungerührt. Sie glaubte sogar, ein amüsiertes Blitzen in seinen Augen zu bemerken. Am liebsten hätte sie ihm sein freundliches Grinsen aus dem Gesicht geschlagen.
»Immerhin funktioniert der Fahrstuhl wieder«, bemerkte Faun. Seine Stimme war ausdruckslos, kalt.
Tam hob die linke Augenbraue. »Nun, im Moment jedenfalls. Wie alles in diesem Hotel wohl nur für den Moment gemacht ist.« Die Ironie in seinen Worten verfehlte ihre Wirkung nicht.
»Es hat euch niemand gezwungen, hier zu wohnen«, bemerkte Jade. Sie wusste, es war ein Fehler, aber schon jetzt hatte sie das Gefühl, an unzähligen ungesagten Worten zu ersticken.
Tam lächelte herablassend, und Jade fragte sich, wie sie ihn je hatte freundlich und faszinierend finden können.
»Gehen wir«, sagte Faun. Er wandte sich einfach ab und öffnete die Tür. Sie traten über die Schwelle, der Hund trabte auf die Straße – mitten in das Rauschen von Schwingen. Fauns schwarzer Mantel bauschte sich im Wind. Jade hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Enttäuschung und Scham überschwemmten sie endgültig, jäh und heiß.
Im selben Moment drehte Faun sich um, um die Tür hinter sich zuzuziehen, und blitzte ihr ein verschwörerisches, warmes Lächeln zu.
*
Er tauchte lautlos aus dem Nichts auf, ganz plötzlich, eine Silhouette im mitternächtlichen Dunkel. Jade hatte gerade zum fünften Mal zur Treppe gehen wollen, um nach Schritten zu lauschen, und als die schattenhafte Gestalt plötzlich direkt vor der Tür ihres Zimmers stand, prallte sie im ersten Schreck zurück. War er es wirklich?
»Faun?«
Ein leises Lachen antwortete ihr.
»Wer sonst? Oder erwartest du noch jemanden?«
Jade ging auf den Scherz nicht ein. Und sie gab sich – auch keine Mühe, die Schärfe in ihrer Stimme zu verbergen.
»Woher wusstest du, in welchem Zimmer ich bin?«
»Ich würde dich überall finden. Allerdings ist es wirklich ungewöhnlich, dich an einem Ort zu sehen, an dem du dich nicht in Gefahr bringen kannst.«
In der Dunkelheit konnte sie sein Lächeln nur erahnen. Da war wieder die Sehnsucht, ihn zu berühren. Dennoch hielt eine seltsame Befangenheit sie davon ab. Auch er schien die Distanz zu spüren, und so verharrten sie wie Fremde, eine Armlänge voneinander entfernt.
»Was sollte das Spielchen heute Morgen?«, flüsterte Jade verärgert. »Warum hast du so getan, als würdest du mich nicht einmal kennen? Wenigstens …«
»Tam darf es nicht wissen«, sagte er hastig. »Es tut mir leid, ich weiß, wie es auf dich wirken musste.«
»Weißt du das wirklich? Was soll ich von dir halten? Und wenn du denkst, dass ich vor Tam kusche, dann hast du dich getäuscht. Wir mögen dem Befehl der Lady unterstehen, aber eure Sklaven, über die ihr euch lustig machen könnt, sind wir nicht!«
»Jade!« Das Flüstern war so sanft und voller Schmerz, dass sie verstummte. »Ich bin nicht Tam.«
Es überraschte sie, wie sehr diese Worte sie entwaffneten. »Du solltest vorsichtiger sein«, hörte sie ihn sagen. »Du weißt nicht, wozu er fähig ist.«
Jade dachte an die Blauhäher und schluckte. »Doch, das weiß ich. Er kann dich dazu bringen, mich wie Luft zu behandeln.«
»Das ist meine Art, dich vor ihm zu schützen. Und du ahnst nicht, wie schwer es mir gefallen ist, dich nicht anzusehen!«
Da waren wieder die Wärme, die Nähe, und ganz von selbst kehrte Jades Lächeln zurück.
»Sehen wirst du mich auch heute nicht«, erwiderte sie nach einer Weile. »Wir sitzen im Dunkeln. Der Strom ist heute Nachmittag wieder ausgefallen. Und Lampenöl haben wir nicht mehr. Komm ins Zimmer!«
Sie wollte nach seiner Hand greifen, doch er glitt bereits an ihr vorbei in den Raum, seine Schritte waren schnell und so sicher, als wäre es taghell. Sie schauderte und spürte wieder das Fremde an ihm, das Andere. Es irritierte sie mehr, als sie zugeben wollte.
»Hattest du Schwierigkeiten?«, fragte sie und schloss behutsam die Tür. »Ich meine, wegen der Blauhäher, die du getötet hast?«
Hier war es heller, das Mondlicht fiel durch die Ritzen der Fensterläden und Jade konnte einen blassen Wangenbogen und sogar den hellen Glanz seiner Haare erkennen.
»Natürlich! Die Vögel sind kostbar. Tam ist sehr wütend auf mich. Aber immerhin hat er mir meine Geschichte abgenommen.«
»Was hast du ihm
Weitere Kostenlose Bücher