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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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entgegengehen würde oder auf das offene, gefährliche Meer.
    Vorsichtig richtete sie sich auf und stützte sich auf den Unterarm. Bei dieser Bewegung rutschte die Decke zur Seite und entblößte Fauns Brust. Zum ersten Mal konnte sie ihn genau betrachten. Sie hatte sich getäuscht, was seine Haut anging. Sie war nicht makellos. Da waren Narben – Spuren einer alten Verletzung, Kratzer vielleicht. Und auf der linken Seite der Brust, direkt über dem Herzen, prangte ein zweites Tattoo. Ein blauweißer Vogel mit kämpferisch aufgerichteten Haubenfedern und ausgebreiteten Flügeln. Schwarze Knopfaugen funkelten sie bösartig an. Jade legte hastig die Hand darüber und das Bild des Blauhähers verschwand.
    Faun regte sich und schlug die Augen auf. Im fahlen Morgenlicht waren sie dunkler denn je. Er musterte sie lange erstaunt – und endlich, endlich lächelte er.
    »Es ist Morgen«, sagte sie. »Musst du nicht gehen?«
    »Bald. Bis die Sonne aufgeht, haben wir noch Zeit.« Sein intensiver Blick machte sie verlegen. »Das erste Mal, dass ich dich im Tageslicht richtig sehen kann«, sagte er und grinste, als sie das Segeltuch bis über ihre Hüften hochzog. Das Dunkle war verschwunden. Sanft fuhr er mit der Hand die Linie ihrer Schlüsselbeine nach. Auf ihrer hellen Haut wirkte seine Hand dunkel und vollkommen. Die Erregung kam wieder und mit ihr die Erinnerung an seine Haut, seine Küsse, die Berührungen.
    »Du bist wie Silber«, murmelte er in ihr Haar und zog sie an sich.
    »Silber und Gold«, erwiderte sie und zupfte an einer Strähne, die ihm über die Wange fiel. »Du bist das Gold.«
    Sie küsste seine Halsbeuge und schloss die Augen, um das Tattoo nicht ansehen zu müssen.
    »Aber dein Haar erinnert mich eher an einen Schattenfarn«, sagte er mit einem Lächeln in der Stimme. »Wunderschön zwar, aber gefährlich. Wer ihn berührt, verfällt ihm ganz und gar.«
    »Ich habe nicht gemerkt, dass du mich schön findest. Warum warst du so zornig auf mich?«
    »Manchmal will man das, was man am meisten wünscht, in die Flucht schlagen. Weil es zu fremd ist. Oder zu vertraut. Und manchmal beides. Verstehst du das?«
    »Nein«, murmelte sie. Faun lachte.
    »Erzähl mir vom Nordland«, bat sie. »Was sind das für Narben?«
    Sein Lachen verebbte auf der Stelle. »Dornengestrüpp. Als Kind bin ich in eine Schlucht gefallen. Tam hat mich rausgezogen.«
    »So lange bist du bei ihm? Und deine Familie?«
    »Fort«, kam die knappe Antwort.
    »Fort?«
    »Verloren. Manchmal geschieht so etwas.«
    »Und der Blauhäher? Ist das Tams Zeichen? Bist du sein Diener?«
    »Wir tragen es beide«, erwiderte Faun und setzte sich ruckartig auf. Der Bogen seines Rückens war makellos. Muskeln zeichneten sich unter der Haut ab. »Und ich bin kein Diener.«
    »Aber …«
    »Mehr gibt es nicht zu erzählen«, unterbrach er sie mit dem Anflug seiner alten Grobheit.
    »Auch nichts über die wolfsköpfigen Menschen und die Katzen mit den lockenden Stimmen?«
    Er schnaubte. »Sind das die Schauergeschichten, die man sich in der Stadt über uns erzählt?«
    »Wenn es Schauergeschichten sind, klär mich auf, wie es wirklich dort aussieht«, erwiderte Jade. »Erzähl mir die Wahrheit!«
    »Die Wahrheit!« Nun hatte seine Stimme wieder diesen sarkastischen, kalten Ton. »Bei euch Städtern ein beliebtes Wort.«
    Wieder hatte sie das Gefühl, dass er ihr entglitt, sich entfernte. Doch heute ließ Jade es nicht zu, dass er ihren Zorn entfachte. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und stellte die Frage, die sie die ganze Nacht beschäftigt hatte. »Faun? Bist du … wirklich ein Mensch?«
    Er machte sich von ihr los und sah sie zornig an. »Was willst du damit sagen?«, fuhr er sie an. »Nur weil ich aus dem Wald komme, bin ich ein Tier?«
    Sie erschrak über das wütende Funkeln in seinen Augen. Stolz spiegelte sich darin und eine Verwundbarkeit, die ihr die Kehle zuschnürte. Sie spürte seine Abwehr, als sie ihn umarmte. »Das denke ich ganz und gar nicht«, sagte sie. »Ich habe mich nur gefragt, warum du im Dunkeln sehen kannst. Das kannst du doch, nicht wahr? Du hast diese seltsamen Augen.«
    »Seltsame Augen hast du auch«, erwiderte er unfreundlich. Doch sie nahm erleichtert wahr, wie er sich auf die Berührung einließ.
    »Du hast das Zeichen der schwarzen Flammen ja gesehen. Ich habe die Fähigkeit, nachts mehr wahrzunehmen als andere, ja, das ist die einzige Möglichkeit, während der schwarzen Zeit zu überleben. Aber ich bin ebenso menschlich

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