Faunblut
erzählt?«
»Der Hund und die Vögel können sich nicht leiden, das weiß er auch. Ich habe Tam gesagt, dass sie ihn angegriffen haben, weil er sich zu den Räumen gestohlen hatte. Und weil Tam mit einem blinden Hund nicht viel anfangen könnte, hätte ich ihn aus diesem Grund vor den Hähern in Sicherheit gebracht und eingesperrt.«
»Du scheinst ein begabter Lügner zu sein.« Das war ihr rausgerutscht und sie biss sich sofort auf die Zunge.
»Dich habe ich nie angelogen«, sagte er ernst.
Das stimmte. Faun war aufrichtiger zu ihr gewesen als sie zu ihm.
»Warum hat Tam die Räume verwüstet?«, fragte sie. »Das Larimar ist nicht unser Besitz, aber es ist trotzdem unser Zuhause. Und die Blauhäher waren in einem Raum, der … nur mir gehörte.«
»Ich weiß«, sagte Faun leise. »Tam lässt keine Geheimnisse zu, er achtet keinen fremden Besitz. Er glaubt, alles, was er finden kann, steht ihm auch offen. Und glaub mir, es gibt nichts, was er nicht findet. Wenn es sein muss, wird er auch in deine Seele eindringen, um deine Geheimnisse zu ergründen.«
Sie wollte kein Feigling sein, aber diese Worte machten ihr Angst. »Warum hat die Lady ihn gerufen?«
Ein Seufzen. »Er sucht. Die Lady hat ihn beauftragt, jemanden aufzuspüren, der sich irgendwo in der Stadt versteckt.«
Den Winterprinzen?
Seine Hand tastete nach ihrer. Ihre Finger verflochten sich ganz selbstverständlich. Ihre Haut war heiß, seine kalt von der Nachtluft. Die Annäherung war zögernd, vorsichtig.
Sie fuhr über seine Hände nach oben, über die Arme. Er zuckte zurück, als sie über seinen Verband strich.
»Wer hat dich verletzt?«
»Einer der Jäger. Er hat irgendeine Spiegelung an der Nordwand dieser Glaskirche gesehen, eine Bewegung, eine laufende Gestalt, und er dachte, es wäre ein Echo. Er hat geschossen und der Querschläger – traf mich.«
»Du wurdest angeschossen?«
»Nur ein Streifschuss. Eine Jägerin hat das Schlimmste verhindert, sie hat mich zur Seite gestoßen.« Jade konnte sehen, wie er mit den Schultern zuckte. »Mein Hemd und der Mantel wurden zerfetzt.«
Jades Fingerspitzen strichen über die Haut an seinem Hals und sein Gesicht. Faun schloss die Augen und atmete tief ein.
»Die Jägerin war Moira, oder? Sie hat dir ihren Mantel gegeben«, murmelte sie. Es war einfacher, sich anzunähern, während man über etwas anderes sprach.
Faun nickte und sah sie aufmerksam an. Im Mondlicht bekam das Weiße in seinen Augen einen gespenstisch bläulichen Glanz, und Jade fragte sich, ob er in der Dunkelheit so gut sehen konnte, wie sie vermutete. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. »Moira, ja. Sie ist die Einzige, die einen kühlen Kopf bewahrt. Und die beste Jägerin, die ich je gesehen habe.«
Faun und Moira. So unsinnig es war, es gab Jade einen Stich, sich die beiden zusammen vorzustellen. Plötzlich fühlte sie sich, als würde sie allein auf der anderen Seite des Flusses stehen. Wir gehören nicht zusammen, dachte sie niedergeschlagen. Es wäre Wahnsinn. Er und Moira gegen die Rebellen und die Echos. Und auch gegen Jakub und mich. Ich umarme meinen Feind.
Fauns Stimme wurde noch leiser. »Eure Stadt brodelt, Jade. Es dauert nicht mehr lange, bis etwas passiert. Ich kann es spüren.«
»Was ist deine Rolle in diesem Spiel?«, fragte sie. »Warum bist du heute nicht im Palast geblieben, bei Tam?«
Faun blickte an ihr vorbei. Sie konnte spüren, wie seine Haltung sich versteifte. Und da war wieder eine Ahnung des fremden Fauns, der sie jeden Augenblick zurückstoßen konnte.
»Es ist wegen der Bestie im Käfig, nicht wahr?«, fügte sie dennoch vorsichtig hinzu. Faun rang offenbar damit, ihr zu antworten. Sie machte sich schon auf eine ablehnende Antwort gefasst, eine Ausrede, vielleicht sogar auf eine Lüge, doch dann überraschte er sie wieder einmal.
»Er heißt Blue Jay.« Es hörte sich an, als spräche er über ein geliebtes Wesen. »Ich nenne ihn einfach nur Jay. Er würde es nicht ertragen, wenn ich ihn zu lange allein lassen würde.«
»Dann bist du sein Wächter?«
Faun lachte, als wäre diese Vorstellung ein gelungener Scherz.
»Nein, nur der Einzige, den er in der Nähe duldet und der ihn bändigen kann. Tam befiehlt ihm zwar, aber mir vertraut er. Und Tam braucht ihn … manchmal. Die Hunde und die Blauhäher sind die Augen und Pfeile. Aber Jay ist das Schwert. Und das Feuer. Jay spürt alles auf, was Tam entgeht.«
»Auch … die Echos?«, fragte Jade atemlos.
»Auch die Echos,
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