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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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sie immer wieder. »Ich bin auf eurer Seite!« Sie rückten so nahe an sie heran, dass sie ihren Geruch wahrnehmen konnte: Bitter war er, und alt. Ein wenig erinnerte er an das nasse Stierfell. Und als die Gestalten stehen blieben und die Lappen und Tücher, die ihre Gesichter verbargen, herunterzogen, blickte Jade viermal in die gleiche Dämonenfratze.
    Schwarze Haut und bleiche Augäpfel, scheinbar blind, aber tückisch und glühend vor Mordlust. Von einem der scharfen Fänge tropfte Geifer. In Panik riss sie die Spiegelscherbe hoch. »Ich bin es!«, rief sie. Staunend sah sie, wie die Scherbe in ihrer Hand zu leuchten begann. Der rautenförmige Lichtfleck huschte über die Wesen, während Jade sich drehte. Das Splittermuster brannte sich in die schwarze Haut ein. Die Fratzen veränderten sich, glätteten sich und begannen zu leuchten und Jade blickte in vier identische weiße Gesichter. Zart waren sie, streng und schön. Grüne Augen funkelten sie an. Sie konnte nicht sagen, ob es Männer oder Frauen waren. Dann legten alle vier den Kopf in den Nacken, öffneten die Münder, holten tief Luft – und schrien. Jade zuckte unter dem schrillen, kreischenden Ton zusammen. Sie verzog das Gesicht und krümmte sich, die Hände auf die Ohren gepresst. Der Ton vibrierte durch jede Faser ihres Körpers und brachte sie zum Weinen.
    Schweißgebadet fuhr sie aus dem Schlaf hoch und fand sich zitternd und völlig verstört in ihrem Bett wieder. Faun! Noch nie hatte sie sich so sehr danach gesehnt, sich in seine Arme zu flüchten. Sie tastete zur anderen Bettseite, doch ihre Finger fanden nur unberührtes Tuch. Sie blinzelte in der Dunkelheit die Tränen weg und schniefte. Regenfinger klopften gegen die Fensterläden. Und dem Geruch nasser Wolle nach zu urteilen, war das Wasser bereits durch das glaslose Fenster gedrungen und tränkte den Teppich. Niedergeschlagen setzte Jade sich auf und rieb sich die Augen. Dann schwang sie die Beine aus dem Bett und stand auf.
    Vor ihr verschob sich die Dunkelheit. Es war nur die Ahnung einer Bewegung, doch sie jagte ihr einen glühend heißen Schauer durch die Adern. Ihr Körper reagierte ganz von selbst: Sie machte einen Satz zurück ins Bett und brachte sich auf der gegenüberliegenden Seite in Sicherheit. Im nächsten Augenblick hatte sie schon ihr Messer in der Hand. Zeig ihm die Scherbe, nicht das Messer, du Idiotin! , war ihr erster Gedanke. Wie ist es ins Larimar gekommen? , ihr zweiter. Die Vorstellung, dass sie im Schlaf beobachtet worden war, machte sie ängstlich und zornig zugleich. Jetzt erkannte sie es deutlicher: eine hoch gewachsene Gestalt, direkt neben ihrem Bett. Atem. Dann eine Bewegung zur Tür. Das war nicht das flinke Gleiten eines Echos, sondern der katzenhafte Gang, den sie unter Tausenden erkannt hätte.
    »Faun!«, brachte sie mit erstickter Stimme hervor. Sie legte das Messer hin und lief um das Bett. »Warum sagst du nichts? Du hast mich zu Tode erschreckt!« Doch als sie die Arme nach ihm ausstreckte, wich er zurück. Regennasser Stoff rutschte durch ihre Finger.
    »Fass mich nicht an!«, sagte Faun leise.
    »Was hast du?«
    »Nichts. Ich … muss gehen.«
    Seine Stimme klang heiser, ablehnend. Das war der Faun, den sie nur bei Tageslicht kannte.
    »Ist etwas passiert?«
    Er verharrte, angespannt, als würde er nur auf eine Gelegenheit zur Flucht warten. Dann wandte er sich brüsk ab und sprang zur Tür. Jades Verwirrung verschwand auf der Stelle, mühelos gewann die Wut die Oberhand.
    »Hey!«, fauchte sie und stürzte zu ihm. Es polterte, als er ihr wieder ausweichen wollte.
    »Jade, lass mich!«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
    »Ganz bestimmt nicht!«, zischte sie. »Glaubst du, du kannst ohne eine Erklärung abhauen?«
    Er war kalt und er zitterte am ganzen Körper. Gerade wollte sie den Mund aufmachen und etwas sagen, als er sich ihr mit solcher Kraft entwand, dass sie gegen das Bett stieß, ein abwehrender Arm traf schmerzhaft ihr Kinn. Aber diesmal ließ sie nicht zu, dass er sich ihr entzog. Ein paar Sekunden rangen sie stumm miteinander, dann verlor Jade das Gleichgewicht und riss ihn mit. Im nächsten Augenblick lag sie, nach Luft schnappend, auf dem Rücken, Teppichstaub kitzelte in ihrer Nase, ihre Arme waren fest um Fauns Taille geschlungen. Sein Gewicht lag schwer auf ihrem Körper.
    »Ich lasse dich nicht gehen!«, flüsterte sie. »Nicht bevor ich weiß, was los ist! Geht es um Tam?«
    Oder geht es darum, dass du mich nicht mehr liebst

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