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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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»Lady Mar hat beschlossen, ihre Stadt bald wieder ganz unter ihrer Kontrolle zu haben.«
    Ihre Stadt.
    Jade kniff die Lippen zusammen, doch sie erwiderte nichts darauf.
    Keine Sorge , beruhigte sie sich. Ihnen wird nichts geschehen, sie werden sich die nächsten Tage verbergen, schließlich sind sie nicht dumm. Selbst Tanía wird sich davor hüten, morgen ihr Versteck zu verlassen.
    *
    Als hätten sie erst in dieser Nacht die wirkliche Welt betreten, liebten sie sich zum ersten Mal im Licht der Öllampe. Es war neu und beinahe ein wenig gespenstisch. Im Gegensatz zu Faun, der sie auch im Dunkeln erkennen konnte, sah Jade ihn zum ersten Mal – nicht nur flüchtig im schattigen Morgengrauen, sondern ganz und gar. Staunend fuhr sie mit ihren Fingern die Linie seines Rippenbogens nach und sah, wie sich die Härchen auf seiner Haut bei dieser Berührung aufstellten. Er war schön, die Muskeln zeichneten sich unter seiner Haut ab, und als Jade ihre Handfläche an seine legte, sah es tatsächlich so aus, als würden Silber und Gold zusammenfließen. Das Einzige, was ihr nicht gefiel, war das Tattoo auf seiner Brust, aber auch davor verschloss sie heute nicht die Augen. Sie bedeckte es nicht mit der Hand, sondern betrachtete es ebenso genau wie seinen Körper. Sie trank mit den Augen die Farben seiner Haut, das leichte Lächeln um seine Lippen und den Ausdruck in seinen Augen, der wärmer und glühender wurde, als sie ihn küsste und sich an ihn schmiegte. Auch er schloss die Augen beim Kuss nicht, und Jade fragte sich, ob er sie in ihren gemeinsamen Nächten stets so intensiv betrachtet hatte. Es war erregend und fremd zugleich, sich auf diese neue Art zu umarmen. Als hätte er Angst, ihr noch einmal zu nahezutreten, berührte Faun sie besonders zart und achtsam, und nun war es Jade, die ihn so fordernd und heftig küsste, dass er aufstöhnte. Sie waren sich näher denn je, und jede Berührung fühlte sich an, als würde sich Haut an Haut entzünden. Erst viel später, als das Licht schwächer wurde und zu flackern begann, schmiegte Jade ihre Wange in die warme Grube über seinem Schlüsselbein und schloss die Augen.
    *
    Diesmal war es kein Albtraum, der sie weckte, sondern die Gewissheit, allein zu sein. Fauns Platz neben ihr war leer. Das Öllicht war erloschen und Jade war froh um die Dunkelheit. Ein bisschen war es wie das Erwachen aus einem Rausch. Das Gefühl des Verlusts übermannte sie, als sie an Faun dachte. Und dann stürzte auch das andere wieder auf sie ein. Ruckartig setzte sie sich im Bett auf und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Was, wenn er wirklich tot ist? Was, wenn die Rebellen ohne die Hilfe der Echos ins Verderben rennen?
    Erst als sie diesen Satz in Gedanken ausgesprochen hatte, fiel ihr ein, dass sie selbst zu ihnen gehörte. Wie würde es sein, weiterzuleben, als wäre nichts gewesen? Könnte sie es ertragen? Oder hätte sie den Mut, trotzdem um ihre Freiheit zu kämpfen?
    Sie kroch aus dem Bett und tastete nach dem Stuhl, über dem ihre Jacke hing. Sie konnte das Foto ihrer Mutter im Dunkeln nicht sehen, aber es tröstete sie, über die glatte Oberfläche ihres unsichtbaren Lachens zu streichen. »Was soll ich tun?«, flüsterte sie. »Ich liebe meinen Feind und habe Angst vor meinen eigenen Verbündeten. Was ist, wenn es stimmt, was Faun sagt?«
    Als sie ein Geräusch wahrnahm, drückte sie das Bild schützend an ihre Brust. Angespannt lauschte sie. Es war ein Klang, der vom Flur her gedämpft ins Zimmer drang. Und er war so ungewöhnlich, dass sie ihn in den ersten Augenblicken nicht einordnen konnte. Auf Zehenspitzen schlich sie aus dem Zimmer, den Flur entlang zur Treppe. Erst da erkannte sie es: Musik! Sie hallte gedämpft durch den Fahrstuhlschacht. Offenbar kam sie aus einem der unteren Stockwerke.
    Es war eine langsame, schwingende Melodie, doch sie war unter so viel Kratzen und Schleifgeräuschen verborgen, dass es sich anhörte, als würden alle Geister des Larimar versuchen, das Lied zum Verstummen zu bringen. Mit jeder Treppenstufe, die Jade nach unten ging, wurde die Musik deutlicher. Sie hörte Geigentöne und den weichen Klang eines Klaviers heraus, und dann entdeckte sie einen schmalen Lichtstreif, der aus dem Spalt einer angelehnten Tür im ersten Stock in den Flur fiel. Dielen knarzten rhythmisch im Takt langsamer Schritte. Jade stieß mit einem Finger die Tür auf und spähte durch den Spalt.
    Mitten auf dem fleckigen Parkett eines alten Salonzimmers standen Jakub und

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