FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
bisschen seltsam oder auch schwul.«
Eine Woche später saß Robert Kennedy, der sich höchst unbehaglich fühlte, neben Präsident Johnson in einer Limousine, die durch die Straßen von New York fuhr.
Fünf Tage vor der Wahl waren Lyndon B. Johnson und Robert Kennedy, der für den U.S.-Senat kandidierte, zu gemeinsamen Wahlkampfveranstaltungen unterwegs. Der Präsident sprach vorsichtig die Frage des politischen Zündstoffs an, der im Safe von Jenkins’ Büro lagerte. Johnson erklärte Kennedy, der Safe enthalte FBI-Berichte über sexuelle Ausschweifungen von Senatoren und Kongressabgeordneten, die mit Prostituierten Umgang hatten. Der Präsident dachte laut darüber nach, ob man diese Akten kurz vor der Wahl selektiv gegen Republikaner verwenden sollte.
»Er sagte mir, er sei die ganze Nacht aufgeblieben und habe die Akten des FBI über all diese Leute gelesen«, berichtete Kennedy. »Und Lyndon redet ganz freimütig über diese Informationen und das Material«, stellte Kennedy fest. »Wissen Sie, Lyndon spricht über alle mit allen. Und natürlich ist das gefährlich.« Kennedy hatte als Justizminister selbst Einblick in einige dieser Akten genommen. Er meinte, ihre Offenlegung könne »das Vertrauen zerstören, das die Menschen der Vereinigten Staaten in ihre Regierung haben, und uns in aller Welt zur Lachnummer machen«. [394]
Es waren nicht die einzigen Sex-Dossiers, die das FBI dem Präsidenten hatte zukommen lassen.
Empört, weil Martin Luther King den Friedensnobelpreis erhalten sollte, und zutiefst erbost, weil er das Verhalten des FBI in Bürgerrechtsfragen kritisierte, hielt Hoover am 18. November eine höchst ungewöhnliche Pressekonferenz ab. Er holte mehrere Reporterinnen in sein Büro und verkündete, King sei »der schlimmste Lügner im ganzen Land«. Bei einem Gespräch mit Deke DeLoach zwei Tage später zeigte Johnson eine gewisse Sympathie für Hoovers Standpunkt.
»Er kennt Martin Luther King«, meinte Johnson kichernd. »Ich meine, er kennt ihn besser als jeder andere in diesem Land.« [395]
FBI-Nachrichtendienstchef Bill Sullivan hatte sein eigenes Abwehrprogramm gegen Martin Luther King in Gang gesetzt. Er hatte ein Paket mit Sex-Tonbändern von FBI-Technikern vorbereiten lassen, schrieb einen Drohbrief und schickte beides an Kings Privatadresse. Seine Frau öffnete das Paket.
»King, gehen Sie in sich«, hieß es in dem Drohbrief, das amerikanische Volk »[wird] Sie bald als das erkennen, was Sie sind – ein übles, abartiges Tier […] Es gibt nur einen Ausweg für Sie. Sie sollten ihn einschlagen, bevor Ihr schmutziges, abartiges, verlogenes Wesen der Nation offenbart wird.«
Der Präsident wusste, dass Hoover Kings Rendezvous hatte aufzeichnen lassen. Und Hoover benutzte diese Aufzeichnungen, um King im Weißen Haus, im Kongress und in seinem eigenen Heim zu blamieren. DeLoach persönlich hatte Reportern und Zeitungsredakteuren die Möglichkeit offeriert, sich die Sex-Tonbänder anzuhören. Als Nicholas Katzenbach, inzwischen Justizminister der Vereinigten Staaten, Wind von der Einladung an die Presse bekam, zitierte er DeLoach in sein Büro und stellte ihn zur Rede.
»Er leugnete derartige Aktivitäten rundheraus und wollte wissen, wer solche Lügen verbreitet hätte«, erinnerte sich Katzenbach. »Mir war vollkommen klar, wer hier in Wirklichkeit log, aber ich hatte keine Möglichkeit, es zu beweisen.« Überzeugt, dass die Bürgerrechtsbewegung vor einer Katastrophe stand, suchte Katzenbach den Präsidenten auf dessen Ranch in Texas auf, wo er sich nach seinem Erdrutschsieg bei der Präsidentschaftswahl im November 1964 einen Urlaub gönnte. Der Präsident hörte seinem Minister zu, stellte ein paar Fragen und tat dann, als ob nichts wäre. [396]
Johnson konnte nicht umhin, die machiavellische Wucht von Hoovers Attacke zu bewundern. »Eins sag ich Ihnen«, erklärte der Präsident gegenüber Katzenbach am 4. März 1965, »als Martin Luther King [Hoovers] Integrität in Frage stellte, hat der sich verdammt wirkungsvoll gewehrt!« [397]
Präsident Johnsons Wertschätzung für Hoover erreichte am 25. März 1965 ihren Höhepunkt. Kurz zuvor war die weiße Bürgerrechtsaktivistin Viola Liuzzo ermordet worden. Sie war in Selma, Alabama, nachts mit einem schwarzen Beifahrer auf der Autobahn unterwegs, als ein Wagen neben ihr heranfuhr, von dem aus auf sie geschossen wurde. Das FBI löste den Mordfall im Nu. Gary Thomas Rowe, ein Undercover-Informant, hatte mit
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