FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
nach Amerika zu tragen. »Salems Infiltration war so erfolgreich, dass er praktisch von Anfang an vertrauten Umgang mit Abdel Rahman pflegte«, staunte Andrew McCarthy, ein streitbarer Bundesanwalt in Manhattan. [586]
Salem lieferte dem FBI Namen und Identität fast aller Beteiligten, die das World Trade Center in die Luft jagen wollten. Ihr Zielobjekt kannte er nicht. Aber seine neuen Freunde verrieten ihm, es sei etwas Großes, etwas, das die Welt noch nie gesehen habe. Das war neu in den Annalen des FBI: Informationen aus erster Hand über ein Terrorkomplott, das gerade Gestalt annahm.
Die Zelle hätte lange vor den Anschlägen ausgehoben werden können – und müssen. Aber Ende Juni 1992 kamen die Ermittlungen abrupt zum Erliegen, denn das FBI ließ Emad Salem als Informanten fallen.
Die Entscheidung traf Carson Dunbar, der neununddreißigjährige Chef der FBI-Spionageabwehr in New York. Er vermutete, Salem arbeite als Doppelagent für den ägyptischen Geheimdienst. Bezeichnenderweise wog die Befürchtung, Salem könnte ein Auslandsagent sein, schwerer als seine Warnung vor einem Terrorangriff. Aber Dunbar und seine Agenten plagte die noch tiefer sitzende Angst, dass Salem als Teil seiner Tarnung selbst als Terrorist aktiv werden musste.
»Wir konnten nicht zulassen, dass du eine Bombe baust«, bekam Salem von dem FBI-Agenten Anticev zu hören. »Wenn diese Bombe, sagen wir mal, in einer Synagoge hochgeht und zwei, drei Menschen tötet, und dann kommt raus, dass ein Agent des FBI am Bau der Bombe beteiligt war – vergiss es, sie würden durchdrehen, die Presse würde behaupten, wir hätten Bescheid gewusst. Wir würden strafrechtlich verfolgt, Leute würden gefeuert werden.« [587] Das FBI würde eine unaussprechliche Blamage erleben.
FBI-Agentin Floyd war entsetzt über Dunbars Entscheidung. »Die Sache wurde von Anfang an völlig falsch angepackt«, erklärte sie Salem. Sie meinte, dass »die Leute im Dezernat keine Ahnung hatten, wie sie vorgehen sollten […] Dass die Vorgesetzten nicht wussten, was los war. Dass sie sich nicht die Zeit genommen hatten, sich mit den Fakten der Vergangenheit zu beschäftigen.«
Salem kannte die Geschichte besser als die meisten. Der blinde Scheich gehörte seit vielen Jahren zur Führungsriege des Ägyptischen Islamischen Dschihad. Er predigte, politische Gewalt werde von Gott gebilligt. In Kairo hatte er im Gefängnis gesessen, nachdem er das Attentat auf Präsident Anwar Sadat im Jahr 1981 ideologisch befürwortet hatte.
Der Scheich stand mit gutem Grund auf der Liste der Terrorverdächtigen des Außenministeriums, dennoch hatte er 1990 ein Visum für die Vereinigten Staaten erhalten. Ein CIA-Beamter, undercover als Konsularbeamter im Außenministerium tätig, hatte es ausgestellt – ein unerklärlicher Patzer, da der Scheich in den CIA-Akten als »Ägyptens militantester sunnitischer Geistlicher und enger Bundesgenosse der Bewegung Ägyptischer Dschihad« bezeichnet wurde. [588]
Und er machte kein großes Geheimnis aus seinen Bestrebungen. »Wir müssen Terroristen sein«, predigte er am 16. Januar 1993 in einer Moschee in Brooklyn. »Wir müssen die Feinde des Islam terrorisieren, ängstigen und verstören und die Erde unter ihren Füßen beben lassen.«
»Das wird die ganze Welt wahnsinnig machen«
Am 19. Januar 1993, in den letzten Stunden der Amtszeit von George Bush senior erschütterte eine Palastrevolte das FBI. Gegen William Sessions wurde der Vorwurf des Amtsmissbrauchs in seiner Funktion als Direktor des Federal Bureau of Investigation erhoben.
Im FBI-Hauptquartier isoliert, ohne Bezug zu seinen täglichen Pflichten, verzückt über die formellen Vergünstigungen seines Amts, hatte Sessions seine Autorität verspielt. Die interne Revolte gärte, seit Sessions 18 Monaten zuvor Buck Revell, der bestens vernetzt und sein stärkster Rivale war, dazu verdammt hatte, das Ende seiner Dienstzeit in Dallas abzuwarten.
Jetzt hatte das Justizministerium einen 194-seitigen Bericht fertiggestellt, der Richter Sessions mit Bagatelldelikten belastete: versuchte Steuerhinterziehung, Verwendung von Regierungsgeldern für den Bau eines Sicherheitszauns um sein Haus im Wert von 9890 Dollar, Behinderung von Ermittlungen wegen eines angeblichen Amigogeschäfts bezüglich einer Hypothek auf sein Eigenheim, Amtsanmaßung zum eigenen Vorteil. Jedes Delikt für sich genommen war schlimmstenfalls ein Amtsvergehen. Zusammengenommen bezeugten sie die mangelnde
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