FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
abzuschieben und ihn wieder in dem ägyptischen Gefängnis verschwinden zu lassen, aus dem er gekommen war. James Fox, stellvertretender FBI-Chef von New York, war vehement dagegen, den Scheich vor Gericht zu bringen.
Die FBI-Leute wussten, dass eine Anklage ein paar bittere Fragen aufwerfen würde. Agenten und ihre Vorgesetzten in New York hatten schon seit Monaten über die Attentäter des World Trade Center Bescheid gewusst. Die Antiterror-Einsatzgruppe hatte Nosairs Tagebuch in Händen gehabt – und es nicht gelesen. Das FBI hatte Salem 14 Monate vor dem Bombenanschlag als Informanten unter den Dschihadisten platziert – und ihn fallenlassen.
Justizministerin Reno musste ihren Leuten den Rücken stärken. Nach einer einstündigen Diskussion mit der FBI-Führung und ihren leitenden Bundesstaatsanwälten klopfte sie auf den Konferenztisch und beschloss, den Scheich wegen Verschwörung zum Aufruhr anzuklagen. Dabei griff sie auf ein seit den Razzien gegen die Kommunisten der 1920er Jahre selten angewandtes Gesetz zurück.
Ihrem Präsidenten riet die Justizministerin überdies, William Sessions wegen seiner »schwerwiegenden Fehlurteile« als FBI-Direktor zu entlassen. Die Ära Sessions war mit einer verheerenden Konfrontation zwischen mehreren hundert FBI-Agenten, darunter dem Geiselbefreiungsteam, und einer endzeitgläubigen Sekte, den Branch Davidians im texanischen Waco, zu Ende gegangen. Das FBI hatte bei der Belagerung der verbarrikadierten, schwerbewaffneten Gruppe Tränengas eingesetzt und damit ihrem Anführer die Apokalypse geliefert, auf die er gewartet hatte. Achtzig Davidianer, darunter fünfundzwanzig Kinder, starben bei dem Brand, den die Sektierer legten. Richter Sessions schob Janet Reno die Schuld zu.
Bill Clinton sollte es noch oft bereuen, dass er nun erneut einen frommen Richter mit der Leitung des FBI betraute. Louis J. Freeh war sechs Jahre ein verdienter FBI-Agent und danach zehn Jahre ein ausgezeichneter Staatsanwalt gewesen, ehe er 1991 im zarten Alter von einundvierzig die schwarze Robe anlegte und Richter wurde. Er war wohl der am besten qualifizierte FBI-Direktor seit J. Edgar Hoover, und er hielt Clinton für den begabtesten Politiker seit Richard Nixon.
Das machte die Verachtung, die sie zunehmend füreinander empfanden, umso tragischer. Sie schwächte das FBI und schädigte letztlich die Vereinigten Staaten.
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Schwachstellen
Kaum hatte Louis Freeh am 1. September 1993 als fünfter Direktor des FBI seinen Amtseid abgelegt, gab er seinen Ausweis fürs Weiße Haus ab. Er weigerte sich, fürderhin das Oval Office zu betreten. Seine Gründe waren schlicht und einfach. Freeh betrachtete Präsident Clinton nicht als Oberbefehlshaber, sondern als Verdächtigen in einer Strafsache.
Das FBI hatte die erste einer nicht abreißenden Serie von Ermittlungen zu Clintons persönlichem und politischem Verhalten eröffnet. Die Folge war, dass Freeh es außerordentlich schwierig fand, mit Clinton über dieses oder irgendein anderes Thema zu sprechen. Im Lauf von Clintons achtjähriger Amtszeit hatten die beiden nicht mehr als fünf oder sechs Unterredungen, sei es persönlich oder am Telefon.
»Er kam zu der Überzeugung, ich versuchte, seine Präsidentschaft zu ruinieren«, schrieb Freeh in seinen Memoiren. Der Direktor bereute bald, dass er die Leitung des FBI übernommen hatte. Aber sein Amt niederlegen mochte er auch nicht, weil er fürchtete, der Präsident könnte ihn durch einen politischen Gefolgsmann ersetzen. [593]
Freeh wusste, dass die gestörte Beziehung zum Präsidenten dem FBI schadete. »Der Verlust von Ressourcen, allein der Zeitverlust war enorm«, schrieb er. »Und zwar in einem Maße, dass es sofort extrem problematisch hätte werden müssen.« Aber er fühlte sich gezwungen, Distanz zum Präsidenten zu halten. Im Lauf der Jahre vertiefte sich die Kluft. Und wurde zu einer Gefahr für die Vereinigten Staaten.
»Eine der größten Schwachstellen, mit der unsere Regierung jetzt zu tun hat«, warnte James Steinberg, stellvertretender nationaler Sicherheitsberater, war ein FBI, das schweigend und isoliert abwartete und »vom Präsidenten und vom Weißen Haus völlig abgekoppelt« war. Clintons leitende Antiterror-Berater im Nationalen Sicherheitsrat, Steven Simon und Daniel Benjamin, mussten feststellen, dass Freeh angesichts ihrer wachsenden Furcht vor einem Terroranschlag »außerordentlich unzugänglich« war. »Sein Misstrauen gegen das Weiße Haus wurde so
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