FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
stark, dass es ihn offenbar blind machte«, schrieben sie. Aber sie wussten, dass Clinton dagegen machtlos war: »Das einzige Mittel, das dem Präsidenten rechtmäßig zustand, Freehs Entlassung, war politisch ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Präsident, gegen den das FBI ermittelte, konnte den FBI-Direktor nicht einfach feuern. Das wäre ein zweites Samstagnacht-Massaker gewesen, eine Neuauflage Richard Nixons.« [594]
Freeh, der sein Jurastudium in den letzten Monaten des Watergate-Skandals abgeschlossen hatte, kam zu dem Schluss, Clinton sei schlimmer als Nixon. Sein Sinn für Tugend, hochentwickelt seit seiner Zeit als Ministrant, diente nach der Regentschaft von Richter Sessions als reinigende Kraft, und seine Ehrfurcht vor dem Bureau, die aus seiner Zeit als Special Agent herrührte, ging tief. Aber das half nicht, das FBI zu einer untadeligen Institution zu machen. Dass Freeh die Beziehungen zum Kongress pflegte, brachte dem Bureau zwar eine Budgeterhöhung von einer Milliarde Dollar und tausende neuer Agenten, aber das FBI als Regierungsorgan wurde damit nicht gestärkt. Freeh war persönlich unbestechlich. Das FBI war es nicht.
Mehr als sieben Jahre lang machte Freeh dem Weißen Haus praktisch täglich Ärger. Ein Fall unter vielen waren die kolossalen Ermittlungen des FBI zu dem Vorwurf, der chinesische Geheimdienst habe sich durch illegale Wahlkampfspenden politischen Einfluss auf das Weiße Haus erkauft. Als Präsident Clinton angesichts der Vorwürfe Fassungslosigkeit zeigte, erwiderte Freeh, das Weiße Haus lüge.
Das FBI verwendete während der Clinton-Jahre wesentlich mehr Zeit und Kraft auf diesen Fall als auf irgendwelche Terrorismusermittlungen. Es erhob Anklage gegen mehrere chinesische Spender, von denen manche ohne besondere Ideologie oder politische Ziele um Einfluss schacherten. Aber Freehs FBI gelang es, die Tatsache zu vertuschen, dass ihre höchstgeschätzte Quelle zur chinesischen Spionage in den Vereinigten Staaten, Katrina Leung, eine Frau mit besten politischen Verbindungen, während der 1980er und 1990er Jahre für China spioniert hatte. Unterdessen hatte sie mit dem für sie zuständigen Special Agent James J. Smith geschlafen, der in leitender Funktion beim China-Dezernat des FBI tätig war, und hin und wieder auch mit William Cleveland, einem führenden, auf China spezialisierten Spionageabwehrexperten. Für ihre Arbeit als Agentin im eigenen Land zahlte das FBI 1,7 Millionen Dollar an Leung. [595]
Das FBI hegte fast zehn Jahre lang die Vermutung, Leung sei eine Doppelagentin, aber eine öffentliche Blamage des Bureau wollten alle vermeiden. Also schwärte der Fall jahrelang. Erst nach Freehs Abschied wurde klar, dass in den 1990er Jahren der chinesische, der russische und der kubanische Geheimdienst das FBI infiltriert hatten.
Ein weiterer Maulwurf gehörte der gefährlichsten und unbekanntesten Terrororganisation der Welt an. Er hieß Ali Mohamed. Al-Qaida hatte einen Doppelagenten, der sich als Informant des FBI ausgab.
»Das amerikanische Volk leiden lassen«
Im Jahr 1994 wurde gegen die Vereinigten Staaten kein einziger Terroranschlag verübt, weder im In- noch im Ausland. Aber die Gefahr eines katastrophalen Schlags gehörte seit Anfang 1995 zum Alltag beim FBI.
»Diesen Typus von Verbrechen aufzuklären reicht allein nicht«, versicherte Freeh dem Kongress damals in einer schriftlichen Stellungnahme. »Ebenso wichtig ist es, dass das FBI den Terrorismus vereitelt, bevor solche Straftaten verübt werden können.« [596] Ohne Informationen blieb aber dem FBI nichts anderes übrig, als sich, auf einen Glückstreffer hoffend, die Schuhsohlen abzulaufen.
Am Abend des 6. Januar 1995 befand sich Ramzi Yousef, der Bastler der World-Trade-Center-Bombe, in einer Wohnung im fünften Stock eines Hauses in der philippinischen Hauptstadt Manila und panschte mit seinem Mitstreiter Abdul Hakim Murad Chemikalien zusammen. Gegen 22. 45 Uhr sah ein Wachmann, wie die beiden mit ihren Schuhen in der Hand die Treppe hinunterliefen. Aus dem Wohnungsfenster drang Rauch. Murad wurde verhaftet, doch Yousef entkam und verließ Manila per Flugzeug.
Die Polizei durchsuchte die Wohnung und fand eine schwelende Bombenfabrik vor – Chemikalien, Zeitschaltuhren, Batterien, Zünder – sowie allerhand Unterlagen und einen Laptop. Es dauerte einige Tage, bis die in verschlüsselten Dateien gespeicherten Daten decodiert werden konnten. Aber sie bestätigten Murads Geständnis, das den
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