Fear
sagte er. »Ich war mir halt bloß nicht sicher, wie ich an Sie rantreten sollte, ohne dass …«
Leon tat die Entschuldigung mit einem Nicken ab. »Ich verstehe schon.«
»Und danke für das Essen. Das war das Beste, was ich seit Monaten gegessen habe.«
»Ja, ist wirklich ein nettes kleines Lokal.«
»Und läuft offenbar hervorragend.« Vic sah sich unter den anderen Gästen um. Bildete er sich das nur ein, oder war es wirklich seit Leons Eintreffen merklich stiller geworden?
»Das ist mein Kollege Clive Fenton«, sagte Leon. »Der große Dicke.«
Vic wäre am liebsten im Boden versunken, aber Fenton schien nicht beleidigt zu sein. Sie gaben sich die Hand. Fentons Händedruck war schlaff und feucht im Gegensatz zu Leons. Fenton nahm den Stuhl links von Vic, Leon den gegenüber. Der Kellner kam wieder an den Tisch, und die beiden Männer bestellten Wasser. Vic schlug das Angebot eines weiteren Drinks aus. Er fühlte sich kurzatmig, und ihm war ein wenig schlecht. Vielleicht hatte er ja vorläufig genug.
Später könnte er sich immer noch einen Absacker genehmigen, einen letzten Brandy zur Feier des Tages.
Sie machten ein bisschen Smalltalk, unterhielten sich über Cornwall, Trelennan, die Zugverbindungen. Der Kellner brachte eine Karaffe Wasser mit Eiswürfeln, die munter klirrend an das Glas stießen. Das Geräusch ging Vic durch Mark und Bein. Er zuckte zusammen – und dann merkte er, dass das Klirren noch von anderen unangenehmen Geräuschen verstärkt wurde: dem Klappern von Geschirr, dem Scharren von Stuhlbeinen auf dem Holzboden, als ob eine ganze Schulklasse mit den Fingernägeln über die Schiefertafel kratzte.
Im ersten Moment glaubte er, seine Ohren wären verstopft gewesen und plötzlich wieder aufgegangen, aber das war es nicht. Im ganzen Pub erhoben sich auf einmal die anderen Gäste von ihren Tischen. Alle bis auf den letzten Mann. An manchen Tischen wurden die Teller abgeräumt; auf einigen standen noch Desserts, die so gut wie unangetastet aussahen. Gläser voll Wein, einfach stehen gelassen – ein herzzerreißender Anblick für einen Mann, der so lange darauf hatte verzichten müssen.
Und bis auf das Klappern und Klirren von Geschirr und Glas vollzog sich alles in vollkommener Stille. Niemand sprach ein Wort. Und keiner der Gäste schien sich daran zu stören, dass alle anderen zur gleichen Zeit aufbrachen.
Die Türen gingen auf und blieben auf, während vierzig oder fünfzig Personen hintereinander das Lokal verließen. Die Temperatur sackte merklich ab, doch Leon und Fenton schienen es nicht zu registrieren. Sie saßen nur da und nippten an ihrem Wasser. Die Angestellten kamen hinter dem Tresen hervor; sie hatten schon ihre Jacken an, alle schienen es eilig zu haben und waren ein wenig angespannt, als ob sie auf einen Feueralarm reagierten, den Victor als Einziger nicht hören konnte.
Es war eine Evakuierung.
Draußen hörte man, wie Motoren hochgejagt wurden, all die schicken Mercedes und BMWs. Abgaswolken wehten herein. Jetzt hatten sie drei das ganze Gastro-Pub für sich. Der Letzte, der den Laden verließ, war der Kellner, doch er machte die innere Tür nicht zu. Er ließ sie offen für die Leute, die jetzt hereinkamen.
Drei Männer. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie zu Leons Truppe gehörten. Der eine kam Vic irgendwie bekannt vor. Er glaubte ihn auf dem Bahnsteig in Birmingham gesehen zu haben.
Die drei Männer machten sich gleich an die Arbeit. Sie schlossen die Türen ab. Zogen die letzten paar Rollos herunter. Leon und Fenton ignorierten sie, genau wie Larry Milligan einst Vic ignoriert hatte.
»Sagen Sie«, begann Leon, »was für Schuhe tragen Sie?«
»Schuhe?« Vic war geschockt. Der Alkohol hielt die Panik auf einem erträglichen Level, aber er verlangsamte auch seine Reaktionen. Er wusste, dass er nicht klar denken konnte; wusste, dass er viel mehr Angst haben sollte, als er tatsächlich verspürte.
»Was für Schuhe?«, wiederholte Leon.
Fenton hielt sich an der Tischkante fest und beugte sich hinunter, um nachzusehen. »Es sind Stiefel.«
Vic nickte. »Timberlands.« Er war stolz auf diese Stiefel: die einzigen brauchbaren Teile in seiner Garderobe. Er hatte sie vor ein paar Jahren in einem vornehmen Fitnesscenter gestohlen – von irgendeinem reichen Trottel, der keine Zeit gehabt hatte, seine Sachen wegzuschließen.
»Sind sie in gutem Zustand?«, fragte Leon. »Keine Löcher drin?«
»Nein. Das ist Topqualität, Mr Race.«
Vic hatte
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