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Fear

Fear

Titel: Fear Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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steile Grasböschung hinuntergerollt und auf dem felsigen Strand darunter liegen geblieben. Durch schieres Glück war sie knapp über der Hochwassermarke gelandet, sonst wäre sie ertrunken.
    »Ein Mann mit einem Hund hat mich am nächsten Morgen gefunden. Mein Körper war so kalt, er hat gedacht, ich bin tot. In Krankenhaus sagen sie, ich hätte noch eine Stunde gehabt, vielleicht weniger.«
    Sie war sofort in die Notaufnahme gebracht worden und hatte erst am Samstag das Bewusstsein wiedererlangt. Erst als ein Krankenhauspsychiater gekommen war, um sie auf ihre psychische Verfassung zu untersuchen, war ihr klar geworden, wovon alle ausgegangen waren.
    »Sie glauben, ich habe versucht, mich umzubringen. Genau wie Leon es geplant hat.«
    Joe musste zugeben, dass ihre Argumentation plausibel war. Der Sturz auf die Felsen lieferte eine praktische Erklärung für ihre Verletzungen, und ihre Vorgeschichte – die vergebliche Suche nach ihrer Schwester, der drohende Verlust ihres Arbeitsplatzes und das Ende ihrer Beziehung – vervollständigte ein ideales Selbstmordszenario. Joe war sich sicher, dass eine amtliche Leichenschau zu genau diesem Ergebnis gekommen wäre.
    »Haben Sie irgendjemandem erzählt, was wirklich passiert ist?«
    »Eine Polizistin war da, als ich noch ganz verwirrt war. Die Sachen, die ich gesagt habe, ergaben keinen Sinn. Später, als es mir allmählich besser ging, habe ich erkannt, dass es keinen Sinn hat, Wahrheit zu sagen. Also nächstes Mal habe ich gesagt, ich erinnere mich nicht.« Sie beugte sich zu ihm vor. »Sie verstehen jetzt, warum Leon ist so gefährlich? Sie glauben mir jetzt, dass er meine Schwester getötet hat?«
    Alise hatte die Hände verschränkt, um ihr Zittern zu verhindern. Joe legte seine Hand darauf. Er nickte.
    »Ja, ich glaube Ihnen.«
    Es war demütigend, von Kopf bis Fuß abgetastet und mit dem Scanner überprüft zu werden. Leon ertrug es, indem er die Augen schloss und sich vorstellte, er wäre an einem Flughafen, wo alle sich diesen Mist gefallen lassen mussten.
    Die Schuhe gaben sie ihm wieder, nachdem sie sie gründlich unter die Lupe genommen hatten, seine Uhr und seinen Gürtel aber behielten sie. Fenton und Glenn spürten offenbar, wie dicht er davor war, zur Tür hinauszustürmen, denn sie bauten sich dicht hinter ihm auf und versperrten ihm den Rückweg.
    Die Branson-Suite bot Platz für rund fünfzig Personen. In einer Ecke waren Tische und Stühle gestapelt wie damals in der Schule. In der Mitte des Raums hatte man zwei Tische mit den Schmalseiten aneinandergestellt, wie eine Schranke, mit Stühlen auf beiden Seiten. Drei Plätze mit dem Rücken zur Tür waren noch frei – für Leon und seine Leute.
    Auf der anderen Seite standen drei weitere Stühle. Der mittlere war leer, auf den beiden anderen saßen Männer, die sich in ihren engen Anzügen sichtlich unwohl fühlten. Sie waren nicht gepflegt und kultiviert wie die beiden an der Tür. Der eine hatte lange, verfilzte Haare, der andere eine Stoppelfrisur mit einer untertellergroßen kahlen Stelle in der Mitte. Beide waren unrasiert, hatten schlechte Haut und schlechte Zähne. Sie wirken bösartig, schmierig und brutal. Schlägervisagen.
    Bei ihrem Anblick entspannte sich Leon ein wenig. Das waren Männer aus seiner eigenen Welt: Sozialsiedlungen, kaputte Familien, erbitterter Wettstreit um knappe Ressourcen und primitive, brutale Gewalt von dem Moment an, wo man gelernt hatte zu stehlen und davonzurennen.
    Leon registrierte eine Bewegung am anderen Ende des Saals, die ihm im Schatten der deckenhohen Vorhänge fast entgangen wäre. Ein Mann und eine Frau standen dicht nebeneinander. Die Frau hatte lange schwarze Haare, die sich auffallend von ihrer blendend weißen gestärkten Bluse abhoben.
    Glenn bemerkte sie auch und stieß einen gedämpften Pfiff aus. Sie war schlank und kurvenreich, und ihr enger grauer Bleistiftrock hatte einen Schlitz, der einen Streifen Oberschenkel enthüllte. Wie eine Sekretärin in einem Edelporno, dachte Leon.
    Im Vergleich zu ihr war der Mann keine sehr eindrucksvolle Erscheinung. Anders als die anderen trug er Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Er war mittelgroß, drahtig, mit brauner Igelfrisur. Obwohl er sie sicher gehört hatte, blieb er mit dem Rücken zu ihnen stehen, als ob es ihm vollkommen schnuppe wäre, wer da gerade zu ihnen gestoßen war.
    Mit einem knappen Nicken in Richtung der beiden anderen zog Leon den mittleren Stuhl ein Stück weit unter dem Tisch heraus und

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