Fear
Anschuldigung.«
»Er würde alles tun, was Leon von ihm verlangt«, sagte Alise und blickte sich ängstlich um. Die Straße war ruhig, nur eine Handvoll Touristen spazierten die Promenade entlang. »Er hat keine Wahl. Leon kennt seine Geheimnisse.«
»Was für Geheimnisse?«
Alise beobachtete Joe ganz genau – vielleicht weil sie eine skeptische Reaktion befürchtete. »Dinge, die er macht … mit den Toten.«
»Was?«
»Leon hat im Bestattungsinstitut eine Kamera versteckt. Deshalb Cadwell muss jetzt alles für ihn tun.«
Joe reagierte so, wie sie es erwartet haben musste. »Wenn das wahr wäre, dann wäre er von einem Tag auf den anderen aus dem Geschäft. Alle würden ihn meiden.«
»Sie hüten sein Geheimnis sehr gut. Nur ganz wenige Menschen wissen davon.«
»Und wie haben Sie es dann herausgefunden?«
Sie hatte auch mit dieser Frage gerechnet und schüttelte betrübt den Kopf. »Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
»Sie verlangen ja einen ganz schönen Vertrauensvorschuss von mir.«
»Bitte, Joe. Ich kann es Ihnen nicht sagen«, wiederholte sie. »Aber ich weiß, dass es stimmt. Ich schwöre es.«
21
Jenny Foster.
Sie hatte einen Namen, eine Identität – und einen mörderischen Durst.
Sie wusste noch ganz genau, wer sie war, hatte aber – glücklicherweise – keine Erinnerung an das, was mit ihr passiert war.
Die Wunde zwischen ihren Beinen verheilte. Das wusste sie, weil ihr Entführer es ihr gesagt hatte. Aber der Heilungsprozess war von einem schmerzhaften Brennen und Pochen begleitet. Wenn jemand sie dort anfasste, hatte sie das Gefühl, in Flammen zu stehen.
Sie wusste das, weil er sie wieder angefasst hatte. Er hatte versucht, sie zu vergewaltigen, aber ihre Schreie hatten ihm die Lust verdorben. Selbst als er ihr einen Lappen in den Mund stopfte, drang der Schrei ihr wie Schweiß aus jeder Pore und vibrierte in ihren Knochen.
»Noch ein, zwei Tage«, sagte er, als er von ihr herunterstieg, seine üble Laune mit einem Tritt an ihr ausließ und sich den Reißverschluss hochzog. »Dann bist du so gut wie neu.«
Er hatte sie zweimal besucht. Das erste Mal war die versuchte Vergewaltigung. Er hatte eine batteriebetriebene Taschenlampe mitgebracht, die zwar nur ein schwaches Licht spendete, aber einen unglaublichen Effekt auf sie hatte. Sie war beinahe bereit, die Schmerzen zu erdulden, die er ihr zufügte, nur weil er sie von der Dunkelheit erlöst hatte.
Sie hatte so gut wie kein Zeitgefühl. Zwischen ihrem Erwachen aus der Bewusstlosigkeit und seinem Besuch hatten vielleicht nur wenige Stunden gelegen, aber sie glaubte, dass es wahrscheinlich länger gewesen war – ein Tag oder so. Als er ging, nahm er die Taschenlampe mit. Sie war vollkommen verloren.
Die Zeit bis zum zweiten Besuch kam ihr dagegen viel kürzer vor – nur wenige Stunden nach dem ersten. Sie war jetzt klarer im Kopf, auch wenn von der Austrocknung ihr Schädel dröhnte, als ob da drin ein Dutzend Schlagzeuger um die Wette trommelten. Sie wusste, wer sie war. Sie begriff zumindest teilweise, was mit ihr geschehen war.
Diesmal brachte er neben der Taschenlampe noch einen Eimer voll Wasser, ein Handtuch und etwas zu essen mit.
»Alles klar?«, knurrte er, offenbar wegen irgendetwas verstimmt.
Jenny merkte, dass sie Geräusche von sich gab – ein Schluchzen und Wimmern. Sie zwang sich, damit aufzuhören, und er brummte etwas, als er den Eimer neben ihr abstellte, so heftig, dass etwas überschwappte. Sie schnappte erschrocken nach Luft, als das kalte Wasser auf ihre Haut klatschte, und drehte sich zu ihm um. Da versetzte er ihr einen brutalen Tritt, und sie riss den Mund weit auf zu einem stummen Schrei.
Sie durfte ihn nicht ansehen. Das hatte sie schon bei seinem ersten Besuch gelernt.
»Du blöde Kuh«, sagte er. »Trink was davon, und dann wasch dich. Hinterher kannst du den Eimer als Klo benutzen.« Sie registrierte, wie er in die Hocke ging und sich über sie beugte, spürte seinen heißen Atem im Gesicht. »Und wasch dir das Blut von den Titten. Hast du denn gar keine Selbstachtung?«
Er öffnete die Tür, und sie sah, wie das schwache Licht in der Dunkelheit hin und her wackelte, während es sich von ihr entfernte.
»Lass mir die Taschenlampe da.«
»Fick dich selber.«
»Damit ich etwas sehen kann, wenn ich mich wasche. Bitte.«
Sein Zögern machte ihr klar, was hier auf dem Spiel stand: Wenn er auch nur die geringste Schwäche zeigte, musste sie das unbedingt ausnutzen. Es könnte eine kleine, aber
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