Fear
sofort bereut. Und du sicher auch. Aber …« Sie wandte sich ab und atmete tief durch. »Ein Teil von mir hat es nicht bereut. Ein Teil von mir hat sich gewünscht, da wäre mehr gewesen.«
Joe ließ ihre Worte eine Weile wirken. Er hatte das Gefühl, dass es unsensibel wäre, wenn er zu prompt antwortete.
»Also, wenn du’s genau wissen willst – mir ist es ganz ähnlich ergangen.«
Wieder eine bedeutungsschwere Pause. Dann lachte sie. »Oje, das ist ja so peinlich.«
»Sollen wir das Thema wechseln? Ich hatte nämlich einen ganz schön ereignisreichen Tag.«
Zuerst schilderte er die Auseinandersetzung zwischen Alise und Derek Cadwell und gab dann sein Gespräch mit Alise wieder. Er überlegte gerade, wie er die eine oder andere heikle Frage formulieren sollte, als Diana eine davon von sich aus beantwortete.
»Sie war vor ein paar Wochen hier und wollte wissen, ob ich irgendwelche Gäste gehabt hätte, auf die die Beschreibung ihrer Schwester passte. Sie hat mir ein Foto des Mädchens gezeigt, aber ich konnte ihr nicht helfen.«
Joe nickte. Jetzt kam die wirklich unangenehme Frage. »Hat sie dich nach einem Zimmer gefragt?«
»Nein, nicht dass ich wüsste. Wieso?«
»Sie hat mir erzählt, dass sie hier im Ort auf ziemliche Ablehnung gestoßen ist. Niemand war bereit, ihr ein Zimmer zu vermieten.«
»Das ist ja furchtbar. Es könnte natürlich zu einer Zeit gewesen sein, als ich ausgebucht war. Anfang September hatte ich das Haus ziemlich voll.« Ihre Stimme wurde ein wenig zittrig, und sie räusperte sich.
»Du weißt, dass sie behauptet, eine bestimmte Person hier in Trelennan sei dafür verantwortlich? Ein Mann namens Leon Race.«
»Ich habe die Gerüchte gehört, ja.« Sie schien noch mehr sagen zu wollen, presste dann aber die Lippen zusammen.
Joe sagte: »Alise glaubt, dass da eine Verschwörung im Gange ist, in die Leon und Derek Cadwell verwickelt sind.«
Um die Situation zu überspielen, hatte Diana einen Schluck Kaffee genommen. Die Tasse wackelte in ihrer Hand, als sie sie absetzte.
»Leon Race ist kein Heiliger. Nach allem, was man so hört, war er in seiner Jugend ein ziemlicher Rabauke, und es ist ihm auch egal, wer das weiß. Und Derek, bei seinem Beruf und seinem unvorteilhaften Äußeren …« Sie schüttelte den Kopf. »Aber sie sind beide sehr erfolgreich. Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie in eine so schreckliche Geschichte verwickelt sein sollten. Wenn dieses Mädchen …«
»Alise.«
»Wenn Alise irgendwelche Beweise hätte, dann hätte die Polizei die Sache doch wohl gründlich untersucht, oder nicht? Und wenn nicht, muss man sich fragen – so hart es auch klingt –, ob sie sich nicht total verrannt hat.«
»Das ist sogar sehr wahrscheinlich«, pflichtete Joe ihr bei. »In gewisser Weise hoffe ich sogar, dass es so ist. Ich hatte nämlich selbst auch eine interessante Begegnung mit Leon Race.« Er schilderte, wie er von einer Patrouille des Sicherheitsdienstes abgefangen worden war und wie er dann zu dem Schluss gekommen war, dass es eine Gelegenheit sei, sich seine eigene Meinung über den Mann zu bilden.
»Und was ist deine Meinung?«
»Er ist offensichtlich sehr intelligent. Nicht gebildet im klassischen Sinne, aber gewieft. Stark. Charismatisch. Und jemand, dem man besser nicht in die Quere kommt. Ich habe mich mit einer Frau in der Bücherei unterhalten – Ellie Kipling. Sie hat angedeutet, dass Leon hier so was wie der Oberindianer ist.«
Diana wurde schlagartig blass. Es ging so schnell, dass Joe sich zwingen musste, sie nicht anzustarren.
»Ich kenne Ellie«, sagte sie mit gespreizter, fast roboterhafter Stimme. »Sie ist eine Frau mit einer lebhaften Fantasie.«
»Die vielen Bücher?«, sagte Joe, um die Sache herunterzuspielen. Aber Diana lächelte nicht. Verunsichert von ihrem Blick fuhr er dennoch fort. »Leon hat mir einen Job angeboten.«
Der nächste Schock. Diana entgegnete prompt: »Du wirst ihn doch nicht annehmen?«
»Du findest, ich sollte es nicht tun?«
»Ich dachte, du wolltest hier untertauchen. Sollte man da nicht alles vermeiden, was …?« Sie zuckte mit den Achseln und ließ ihn raten, was sie nicht über die Lippen gebracht hatte. Was Ärger bedeutet? Was einen in Gefahr bringt?
»Ich weiß. Vielleicht ist es nicht besonders vernünftig. Aber hier bin ich Joe Carter. Niemand außer dir ahnt etwas von meiner wahren Identität. Solange es so bleibt, sollte ich nichts zu befürchten haben.«
Er wartete auf ihre Einwände. Sie
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