Fear
verwirrt und verstört durch ihre Reaktion. Er wusste nicht, wie lange sie beide noch den Schein wahren und so tun könnten, als sei alles in Ordnung.
Bei Leon wurde er von Kestle, dem rothaarigen Wachmann, in Empfang genommen, der ihn ins Wohnzimmer führte. Es wurden keine Erfrischungen geboten, und es duftete auch nicht verlockend nach Frühstücksspeck. Vielleicht arbeitete Pam am Wochenende nicht.
»Sie haben heute den Citroën Berlingo. Der ist ganz okay, nur die Kupplung zickt manchmal ein bisschen.« Kestle übergab Joe die Liste mit den Details. »Heute geht’s nach Devon. Nur zwei Stationen, Sie werden also gegen Mittag zurück sein. Dann kriegen Sie Ihre Instruktionen für den Nachmittag.«
»Wo fahre ich denn heute Nachmittag hin?«
»Weiß ich noch nicht. Mir hat keiner was gesagt.«
Joe ging gerade zur Haustür, als er hinter sich eine Bewegung hörte. Als er sich umdrehte, sah er Leon Race die Treppe hinuntertappen, barfuß und in einen Bademantel gehüllt. Er sah verschlafen aus und war unrasiert; irgendwie gaben die Stoppeln seinem pausbäckigen Gesicht ein unheimliches Aussehen: wie ein bösartiges Kind.
»Na, schon ein bisschen eingewöhnt?«, fragte er.
»Ja, danke.«
»Dachte ich mir doch. Und ich täusche mich selten in Menschen.«
Leon drehte in Richtung Küche ab. Joes Audienz beim Chef war beendet.
Der Citroën fuhr sich wie ein Schiff, aber nachdem Joe sich einmal an seine Eigenheiten gewöhnt hatte, entspannte er sich und genoss die Fahrt. So früh am Samstagmorgen war auf den Straßen noch nicht viel los, und auf dem Weg zum Zentrallager in Tiverton kam er gut voran. Es lief genau wie am Vortag: Ware einladen, Magnetschilder an den Transporter, und schon konnte er mit seiner Lieferliste losfahren.
Am späteren Vormittag rief er Ellie an, nachdem er endlich eine Stelle mit Empfang gefunden hatte, und sagte ihr, dass das Pub voll ausgebucht war.
»Das ist aber ungewöhnlich um diese Jahreszeit«, meinte sie. »Schade.«
»Können Sie vielleicht etwas anderes empfehlen?«
»Nichts, was an das Crow’s Nest heranreicht.« Sie überlegte eine Weile und fügte dann trocken hinzu: »Warum kommen Sie nicht einfach zu mir?«
»Sind Sie sicher?«
»Keine Bange, ich werde Sie nicht belästigen.« Sie lachte. »Und auch nicht vergiften, wenn Sie das meinen.«
»Aber ich wollte Sie doch einladen.«
»Ist schon in Ordnung. Sie dürfen den Wein mitbringen.«
Leon hing den ganzen Vormittag am Telefon. Es gab viel zu organisieren: eine Menge Süßholz zu raspeln, eine Menge Hände zu schmieren. Fenton arbeitete neben ihm und war mit Ratschlägen zur Hand, wenn er etwas Nützliches beizusteuern hatte, ansonsten hielt er den Mund. Das war das Geheimnis ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit.
Und auch Fenton war schon ganz aufgeregt, dachte Leon. Er konnte es nur besser verbergen.
»Was meinst du?«, fragte Leon in einer Pause zwischen den Telefonaten. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände im Nacken.
»Es ist ein genialer Plan«, erwiderte Fenton vollkommen aufrichtig.
»Er kann es unmöglich ahnen?«
»Definitiv nicht. Und das gilt für beide.«
»Hmm – bei Joe bin ich mir nicht so sicher. Du darfst nicht vergessen, dass er mal Polizist war. Er ist ein Profi.«
Fenton zuckte mit den Achseln. »Einen Versuch ist es jedenfalls wert.«
»Schon. Aber ich tippe darauf, dass er Lunte riechen wird.«
Dann rief Glenn an und schaffte es – wie so oft –, Leons Stimmung einen ziemlichen Dämpfer aufzusetzen.
»Also, dieser Typ ist echt unglaublich. Mann, was für eine verkrachte Existenz.«
»Was?«
»Er ist jetzt seit ungefähr einer Stunde unterwegs. Wir sind in Stoke-on-Trent …«
»Wir?«
»Ich musste Reece bitten, mir zu helfen. Ich bin im Auto, und Smith ist zu Fuß. Er bleibt immer wieder an Bushaltestellen und Bahnhöfen stehen. Sonst hätte ich ihn schon verloren.«
»Und was macht er denn nun?«
»Er ist in ein paar Häusern gewesen, eins davon ganz respektabel. War nicht lange drin, und als er rauskam, hatte er so einen verschlagenen Blick, verstehst du? Und dann steuert er schnurstracks ein Pfandhaus an.«
»Was tut er denn in einem Pfandhaus?«
»Wie gesagt, das glaubt man einfach nicht. Wenn du mich fragst, versucht er das Geld für die Fahrt zusammenzukratzen.«
»Du verarschst mich doch.«
»Ich wünschte, es wäre so, Leon. Im Ernst, er ist vollkommen pleite.«
»Dann könnte das Ganze also platzen, weil er sich die Fahrt hierher nicht leisten
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