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FebruarNachtsTraum

FebruarNachtsTraum

Titel: FebruarNachtsTraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Sowade
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erwartet.« Alexander meint es ernst.
    »So wie es Sonntagsfahrer gibt, so bin ich ab und zu, wenn die Umstände es nicht anders erlauben, auch nur eine Sonntags-Miss-Energy. Bitte, erzähl das niemandem weiter!«
    Alexander verschließt seinen Mund wie einen Reißverschluss. Eine Geste, die mir sehr vertraut vorkommt, weil sie von mir sein könnte.
    Ich dimme das Licht und hole mein Smartphone heraus. Auf der Bettkante blättere ich in den Bildern. Eines vergrößere ich für Alexander, um zu erklären, was es mit Miss Energy auf sich hat. Nur Katharina weiß bis jetzt davon.
    »Die Zeichnung einer Fünfjährigen?«, rät er.
    »Vier«, korrigiere ich. »Das ist von mir.« Daraufhin verkneift sich mein Bodyguard den nächsten witzigen Kommentar.
    Ich erzähle Alexander von der Geburtsstunde von Miss Energy. Wie ich als kleines Mädchen angefangen habe, mir mit Wachsmalern eine Bilderbuchwelt zu erfinden. Wie das Wasser der Spree immer klar war und der Himmel tiefblau und die Bäume makellos grün. Und wie ich mit jedem Jahr, das ich älter geworden bin, erkannt habe, dass diese Welt nicht existiert.
    Ich vergrößere die Idealfamilie meiner kindlichen Vorstellung. »Für jeden anderen ist das keine große Sache, für mich war das jedoch anders.«
    »Sehr modisch.«
    Meine Strichfiguren tragen alle neonfarbene Punkte. »Das waren die Achtziger«, verteidige ich mich. »So hat für mich die perfekte Welt ausgesehen: Mama-Papa-Kind-Kind und alle lachen …« Ich räuspere mich. »Ja, das soll wirklich ein Lachen sein.«
    »Wie niedlich.«
    Ich packe das Handy wieder weg und klettere auf mein Bett. »Mülltrennung ist natürlich gut, Recycling auch und Wassersparen sowieso. Aber Miss Energy ging es nie grundsätzlich um die Umwelt, Alexander. Sondern schlicht und ergreifend um die beste aller möglichen Welten, um das hier.« Ich winke kurz mit meinem Smartphone.
    »Warum auch klein anfangen …«, murmelt er und ich sehe Bewunderung in seinen Augen leuchten. »Und dann? Wie wurde aus der kleinen Weltverbesserin plötzlich Miss Energy?«
    »Ich hatte vier Babysitting-Kurse. Vier! Und wurde aus jedem einzelnen herausgeworfen. Dann habe ich es mit Erster Hilfe versucht. Das Zertifikat allerdings erst im dritten Anlauf geschafft. Und dann dachte ich mir, ich würde eine tolle Sozialbetreuerin abgeben.« Ich räuspere mich, weil mir diese Kapitel meines Lebens unangenehm sind und niemand gerne seine Schwächen eingesteht. Auch ich nicht.
    »Lass mich raten, auch das wurde nichts.«
    »Leider …« Ich seufze. »Mit Menschen hab ich irgendwie kein gutes Händchen, aber mit Technik. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, nicht umsonst hatte ich Physik und Mathe im Leistungskurs in der Schule. Vielleicht kann ich nichts für perfekte Familien tun, aber jede Menge für klares Wasser und blauen Himmel und grüne, makellose Bäume, ohne dass ich sofort zum Über-Öko werde – mit der Förderung alternativer Energieerzeugung. Für eine grünere Welt. So kam das alles.«
    »Daher die Vorliebe für Veggie-Burger.« Alexanders Grinsen wird breiter. »Du hast nicht eine lebende Pflanze zu Hause, Elizabeth. Bis auf den Kaktus, aber der zählt nicht.«
    Will er mich auf den Arm nehmen? »Weil auch Pflanzen ein Recht auf artgerechte Haltung haben«, kontere ich.
    »Das denkst du dir doch gerade aus!«
    Ich ziehe die Decke ans Kinn. »Okay, das hab ich erfunden. Aber verstehst du, was ich meine?«
    »Ja, ich verstehe dich.«
    Und das sagt alles. So wie ich ihn verstehe. Mir ist wieder ganz anders.
    Alexander und ich reden die halbe Nacht, wie Ethan Hawke und Julie Delpy im Klassiker Before Sunrise nur, dass wir nicht in Wien, sondern in Berlin gestrandet sind. Und dass wir über die Welt im Allgemeinen und nicht über Männer und Frauen im Speziellen reden. Ich bin richtig überrascht, wie viel wir uns dennoch zu erzählen haben.
    Wir diskutieren das Windkraft-Projekt, das Energy Solutions mit Russian Powers im Januar gestartet hat und finden es beide gut. Wir regen uns über die Europa-Politik auf, wenn auch aus völlig anderen Gründen. Wir verurteilen, dass junge Erwachsene keine Zeit mehr haben, Dinge einfach mal auszuprobieren. Ich erzähle von den Klimaschutzkonferenzen in Davos, Kopenhagen und Cancún, an denen ich teilgenommen habe, und Alexander fragt mir Löcher in den Bauch und berichtet von Planungsspielen, bei denen ich nicht schaffe, ehrliche Begeisterung aufzubringen. Alexander findet das nicht schlimm, sondern

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