FebruarNachtsTraum
verschwörerisch zu Jan. »Wir spionieren.« Mein Kollege schaut mich an, als wäre ich nicht ganz dicht. Doch ich tue das mit einem Schulterzucken ab. »Jefes Idee. Wenn die böse Energiewirtschaft ihre Lobbyisten für Fracking ins Feld schickt, dann muss die gute Energiewirtschaft vorbereitet sein und Kontra geben.
Ohne Zwischenfall rattern wir nach Hamburg und steigen dort in einen Mietwagen um. Während wir durch eine wunderschöne, winterliche Heide-Landschaft fahren und einige STOPPT FRACKING!-Plakate passieren, spiele ich wandelndes Lexikon und erkläre Jan die Hintergründe und das Verfahren im Schnelldurchlauf. Ein Wasser-Sand-Chemie-Cocktail wird in tiefe Gesteinsschichten gepresst, um diese aufzusprengen und dadurch gelöste Gas- oder Ölvorkommen zu fördern
Schließlich halten wir vor Dem alten Krug in Schneverdingen, einer Kleinstadt im Nirgendwo. Wir schließen uns einem Experten-Team der Bundesregierung an, in das uns Jefe eingeschleust hat. Um unerkannt zu bleiben, trage ich eine fesche honigblonde Fransenperücke und eine Brille mit dickem Rand, die mich zehn Jahre älter macht, mein halbes Gesicht verdeckt und mit der ich Alexander ähnlich sehe.
»Frau Schneider! Freut mich, dass Sie auch dabei sind.«
Für einen kurzen Moment halte ich erschrocken inne. »Ich bin undercover«, raune ich dem Berater des Energieministeriums zu.
»Verstehe. Wir telefonieren einfach die Woche?« Er hat offensichtlich Spaß an der Geheimniskrämerei und flüstert nun ebenfalls.
»Genau!« Ich zupfe verlegen an meinen falschen Haaren und lasse mich von Jan retten. Er hat sein iPad in der Hand und tippt wild herum, um mir Gelegenheit zu geben, meine aufgeflogene Tarnung zu verkraften.
Gut gelandet? , schreibt mir Alexander per WhatsApp.
Ich sende ihm einen aufgestellten Daumen und eine idyllische Live-Aufnahme der Umgebung als Antwort.
In einem Kleinbus geht es weiter zum Gelände Söhlingen. Wir bekommen alle diese stylischen Sicherheitshelme aufgesetzt und werden als gut sichtbare gelbe Punkte über die makellose Anlage gescheucht. Was man mit den Budgets alles anstellen könnte!
»Nicht schwach werden, Miss Energy«, flüstert Jan mir zu.
»Ich doch nicht.« Da muss sich schon die Erde auftun. Mit Mühe halte ich vor lauter faszinierenden Einblicken und permanentem Um-Mich-Schauen-und-Drehen den Anschluss an die Gruppe.
Die Kommission stellt immer wieder Fragen und ich bin erleichtert, dass nicht alle beantwortet werden können. Dafür, dass der Konzern seine besten Leute für diesen Besichtigungstermin abgestellt hat, finde ich sie der Aufgabe nur mäßig gewachsen. Aber man muss die Schwäche des Gegners auszunutzen wissen.
Ganz nach dem Motto, wer nicht fragt, bleibt dumm, dem Grundimpuls jeder Wissenschaft, presche ich schließlich vor. »Können Sie bitte genaue Angaben zur chemischen Zusammensetzung des Fracking-Stoffes geben?« Ich lächle. »Welche Schutzmaßnahmen treffen Sie, damit das Grundwasser nicht belastet wird?« Ich setze mein Pokerface auf. »Nach welchen Kriterien suchen Sie die Bohrungsgebiete aus?« Kurz räuspere ich mich. »Und wie wollen Sie den Dialog mit den Anwohnern verbessern? Sie haben sicherlich einen Plan?« Zuckersüß feuere ich eine Frage nach der anderen ab und weide mich an den unbefriedigenden Lehrbuchantworten unseres Guides.
Als wir endlich Im alten Krug zum Mittagessen einkehren, atmet der sichtbar erleichtert auf. Ich auch, denn frische Luft hat meinen Stoffwechsel angekurbelt. Mein Magen knurrt seit einer Stunde. Ich brauche dringend was Warmes im Bauch.
»Spürst du das Beben?«, fragt mich Jan leise beim Essen und legt beide Hände auf die Tischplatte. Er ist der Einzige, der was bemerkt haben will.
»Ich bitte dich!« Ungestört bearbeite ich weiter den Teller. Ich mag in puncto Geld und Macht unbestechlich sein, aber das Rinderfilet ist das Zarteste, was meine Zunge je berührt hat und genießt meine vollste Aufmerksamkeit.
»Und jetzt?«, versucht er es etwas später wieder. Der Nachtisch wird abgeräumt und Kaffee gebracht, doch Jan hört noch nicht damit auf, mir Angst einzujagen.
»Sei nicht albern«, raune ich ihm zu. Außerdem möchte ich nicht auffällig werden. Das verträgt sich mit Undercover-Einsätzen schlecht.
Punkt 14:30 Uhr mitten beim Verabschieden vor dem Restaurant ändert sich plötzlich alles.
»Oh-oh!« Wie konnte nur das gute Essen mein Radar für Gefahr lahm legen! Pferde wiehern nervös und riesige Vogelschwärme kreisen
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