FebruarNachtsTraum
lacht darüber.
Wir streiten uns, wie man den Ärmsten der Armen helfen kann. Ich bestehe auf die Verbesserung der Infrastruktur. Alexander beharrt auf verbesserte Bildungschancen. Und wir wissen, aber denken nicht daran, uns darauf zu einigen, dass wir beide Recht haben und ein dritter und vierter auch. Die Wahrheit liegt immer irgendwo dazwischen.
Und wie im Ferienlager reden wir solange, bis der andere nicht mehr antwortet, weil er eingeschlafen ist. Ich glaube, ich bin es, die zuerst aufgibt.
- 20 -
»Hi Sweetheart, geht es Alexander wieder besser?«
»Ja, etwas.« Ich stehe im Berliner Hauptbahnhof am Gleis 7 und warte am Montag auf den ersten Zug, der nach Hamburg fährt, während per Lautsprecher gerade hektisch veränderte Wagenfolgen durchgegeben werden. Wie gut genau es Alexander geht, möchte ich nicht mit Roman diskutieren. Und wie gut es mir nach diesem Wochenende geht, auch nicht.
Mein Bodyguard wurde gestern aus dem Krankenhaus entlassen, nachdem zweifelsfrei feststand, dass er keinen gefährlichen Keim hat. Da er noch etwas wackelig auf den Beinen ist, hat er von sich aus auf den heutigen Außeneinsatz verzichtet. Zumindest ist das die offizielle Version.
»Wo steckst du?«
»Arbeiten«, antworte ich kurz.
»Noch zu früh bei dir?«, fragt Roman einfühlsam.
»Mmh, viel zu früh.« Obwohl ich unter meiner dicken Winterjacke Jeans und Pullover trage, friere ich und leere meinen dritten Becher Kaffee unbestimmter Herkunft. Ich würde jetzt gerne sagen, dass mir bei Romans Worten warm ums Herz wird. Doch so funktioniert die Realität nicht.
Endlich taucht Jan mit den Bahntickets auf. »Na, heute ohne Babysitter?«
»Ist das dein Kollege?«, fragt Roman in mein Ohr. Er klingt froh darüber.
»Ja, und ich muss jetzt Schluss machen, Romantic Man. Ich liebe dich.« Sobald ich aufgelegt habe, funkle ich Jan an: »Alexander ist nicht mein Babysitter. Und nein, er kommt nicht. Du hast mich mal wieder ganz für dich alleine.« Ich packe ihn bei der Hand und ziehe ihn zum wartenden Zug.
»Perfekt, Miss Energy! Und wie hast du Alexander abgehängt?« Wir steigen ein und suchen unsere Plätze.
»Mein Bodyguard hatte eine Lebensmittelinfektion. Jetzt geht es schon wieder. Er nimmt sich einen Tag Auszeit.«
Jan schaut mich schief von der Seite an. »Miss Energy, du bist eine miserable Lügnerin. Wie lautet der wirkliche Grund?«
In Wahrheit wissen Alexander und ich, dass wir etwas Abstand voneinander brauchen, um uns nicht zu nett zu finden. Doch darüber werde ich Jan gegenüber kein Wort verlieren. Ich mag es nicht, wenn Leute in Dingen nachbohren, auf die ich selbst keine Antwort weiß.
»Ich brauch noch einen Kaffee.« Fair trade oder nicht. Es ist einfach zu früh. Zielstrebig mache ich mich im anfahrenden Zug auf dem Weg zum Bistro-Bereich.
»Ihr habt nicht das ganze Wochenende im Bett verbracht?«
Sofort beginnt mein Gesicht verräterisch zu glühen, weil es nicht ganz falsch geraten ist.
»Elizabeth!« Jan packt mich entrüstet an den Schultern, damit ich nicht weglaufen kann.
»Es ist nicht so, wie du denkst.« Ich schnappe mir den Kaffee und inhaliere die viel zu heiße Brühe. Mehr kann ich Jan nicht erklären, denn irgendwie ist es doch so. Mehr und mehr gerät das Gleichgewicht mit Alexander außer Kontrolle. Natürlich, ist es moralisch falsch so zu denken und ich bin die Erste, die sagt, dass man nicht einfach so in etwas hineinschlittert. Und doch bringe ich es nicht fertig, mehr Distanz zu wahren. Schon bei dem Gedanken zieht sich mein Herz zusammen.
Dankbarerweise bohrt Jan nicht nach.
Zurück an unseren Plätzen packt er mit mir die Unterlagen für den heutigen Außeneinsatz aus. Nebeneinander lesen wir uns durch einen Stapel Broschüren, bis Jan erst grummelt, dann brummt und schließlich von seinen Papieren aufschaut. »Sag mal, warum müssen wir da eigentlich hin, Lizzy?«
»Weil die ganze Welt unserem Boss mit Fracking in den Ohren liegt.« Zügig blättere ich durch die Unterlagen, bis ich wieder die Broschüre der Energiefirma in der Hand halte.
»Dabei geht es um die Gewinnung von Erdgas.«
»Ich weiß«, antworte ich total ruhig, als würde sich Energy Solutions jeden Tag mit solchen Themen und nicht mit der Erzeugung alternativer Energie beschäftigen.
»Erdgas ist böse«, ergänzt Jan im besten Miss Energy-Kindersprech.
»Ich weiß«, wiederhole ich schärfer.
»Warum bin ich dann so früh aufgestanden?«
»Wir …« Ich werde leiser und beuge mich
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