FebruarNachtsTraum
mittlerweile zugleich wissen, wie die Geschichte weiter geht. Meine Ohren sind überfordert.
»Bis eines Tages ein ganzer Trupp von sechs sieben Typen in Lederjacken und Bermuda-Shorts auf ihren Harleys aufkreuzte. Zehn Sekunden später lag meine Hand auf einem Messerblock und einer von denen setzte ein Beil an.« Seine Stimme klingt ferner und ich weiß, dass er die Szene nochmal durchlebt.
Spannend! Statt der Decke sehe ich den Tag vor mir. Tropische Hitze, bei der jeder Zentimeter Stoff feucht auf der Haut klebt. Surrende Mücken. Wellenrauschen. Und dann eine Horde verschwitzter Biker, die zu lange in der Sonne gelegen haben. Leichtsinnig, wie ich bin, hätte ich in der Situation einen Witz gerissen.
Alexander trinkt einen Schluck Wasser. »Oh, und dann habe ich mir vor Angst fast in die Hose gepinkelt und angefangen, Witze zu reißen. Dass ich ihnen nur zu gerne meinen Mittelfinger gebe. Den könnten Sie sich dann sonst wohin stecken.« Er lacht freudlos. »Womit ich nicht gerechnet habe, war, dass sie mir, ohne zu zögern, wirklich den Finger abhacken.« Nach einer Pause fügt er noch hinzu: »Ich kann es ehrlich gesagt immer noch nicht fassen.«
Nun schlucke ich und halte den Atem an. Das ist ja eine furchtbare Geschichte!
»Na ja und da ich ja noch neun hatte, wollten sie weiter machen.« Irgendetwas Lustiges muss gleich kommen, die Stimme verrät Alexander. »In dem Moment kamen Roman und Vladimir auf diesen lächerlich langsamen Mofas angebraust. Roman stellte lässig inmitten dieser Schweinerei einen Geldkoffer ab, Vladimir hob meinen abgetrennten Finger auf und gemeinsam schleppten sie mich auf eines der Mofas. Dann bin ich ohnmächtig geworden. Als ich wieder zu mir kam, war mein Finger wieder dran. Ich lag im Krankenhaus und mir wurde klar, dass es Zeit war, beruflich andere Wege einzuschlagen. Roman hat das verstanden und Vladimir sowieso.«
Mir ist flau von der Geschichte. Ob die wirklich Alexanders Finger wieder drangenäht haben? Gleicht einer dem anderen. Und muss man die nicht speziell kühlen? Die kann man nicht einfach per Mofa-Expresslieferung durch die Gegend kutschieren!
Alexander spürt meine Zweifel. »Ja, Elizabeth, der Nagel, die Krümmung, der Knochen. Ich werd doch wohl meinen eigenen Finger wiedererkennen!« Er lacht leise. »Dafür war ich Roman was schuldig.«
Ich ahne, was jetzt kommt.
»Als er mich nach all den Jahren fragte, ob ich drei Monate auf seine Freundin aufpassen kann, hab ich zugestimmt. Es klang ziemlich einfach im Vergleich mit dem Gefallen, den er mir getan hatte … dachte ich anfangs … bis ich dir begegnet bin.«
Dämliche Fantasie! Mir wird leicht übel und schwindelig und mein Körper spielt verrückt, dass mir das Herz bis zum Hals schlägt. Mein Gehirn ruft ohne mein Zutun Bilder von abgetrennten Gliedmaßen auf, während ich Alexanders Worte sacken lasse. Ich bin das Tauschgeschäft für einen Finger. Und ich bin nicht irgendwer für ihn. Innerlich tanzt mein Herz den Funky Chicken und singt lauthals: Er mag mich, er mag mich, er mag mich!
»Diese Geschichte darfst du nie im Leben meinen Eltern erzählen!«, breche ich mein Schweigen. Sie betrachten Roman bereits als Schwiegersohn in spe und wollen Enkelkinder von ihm. Das würde ihr Bild zerstören.
»Oh, du hast mir tatsächlich zugehört?« Alexander dreht sich zu mir auf die Seite und ich wende meinen Kopf. Wir sehen uns von Krankenhausbett zu Krankenhausbett an.
»Blödmann!«
»Selber.«
Wenn das erfunden ist! »Zeig mir mal deinen Finger!« Ich hüpfe vom Bett und halte auffordernd meine Hand hin. Kommentarlos gibt Alexander mir seine Rechte und dort ist sie, eine feine, helle Narbe, die mir vorher nicht aufgefallen ist, weil er helle Haut hat. »Und du kannst damit greifen und alles machen?«
»Soll ich es dir nochmal beweisen?« Seine Stimme ist erneut Warnung und Aufforderung zugleich.
»Nicht nötig. Ich ziehe meine Frage zurück, Euer Ehren.« Sofort gehe ich etwas auf Abstand. Crash! Boom! Bang! Ein Zusammenstoß reicht für einen Abend völlig. Warum passiert mir immer sowas? Warum nicht auch mal Katharina?
Ich gähne herzhaft, räume das Zimmer auf und schmeiße unseren Müll vom Essen weg. Dann lege ich mich wieder auf die Decke.
»Dir ist schon klar, dass du den Abfall gerade nicht getrennt hast?«
Ich zucke ertappt zusammen. »Was soll ich denn machen, wenn die hier Papier und Plastik nicht extra sammeln? Die Reste nach Hause nehmen?
»Von Miss Energy hätte ich das
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