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Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition)

Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition)

Titel: Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Wu
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Propaganda. Verbrennt sie!« Auf sein Geheiß hin schoben zwei Rotgardisten die Kisten in den Hausflur.
    Ich hätte am liebsten aufgeschrien: O nein, bitte, verbrennt Papas Bücher nicht!
    Als hätte er meinen stummen Schrei gehört, befahl der Anführer meiner Mutter, meinen Brüdern, meiner Großmutter und mir, hinauszugehen. »Wartet im Hausflur. Aber lasst die Tür offen, damit ich euch im Auge behalten kann.«
    Wir drängten uns um die Kisten mit den Büchern. Darunter entdeckte ich auch Papas Schätze: Hugo, Zola, Du Fu, Li Bai, Lawrence, Stendhal, Dumas, Cao Xueqing, Balzac und Shakespeare. Beinahe hätte ich losgeheult. Der dicke Wälzer
Jean-Christophe
von Romain Rolland lag ganz oben in einer Kiste, direkt neben mir. Den Roman hatte Papas Freund Fu Lei aus dem Französischen übersetzt. Ihn und seine Frau hatten die Roten Garden vor Kurzem in den Selbstmord getrieben. Das Buch war mit einer Widmung versehen und hatte seinen festen Platz an einer Ecke von Papas Schreibtisch. Oft hatte ich gesehen, wie er beim Schreiben innehielt, das Buch durchblätterte und laut eine Stelle darin las.
    Während die Roten Garden vollauf damit beschäftigt waren, unsere Wohnung zu plündern, schob ich mich noch näher an die Kiste heran. Zitternd griff ich hinein und zog verstohlen
Jean-Christophe
heraus. Nachdem ich mich mit einem raschen Blick vergewissert hatte, dass mich niemand beobachtete, steckte ich mir das Buch unter die Bluse und lehnte mich an die Wand.
    Ein Rotgardist schob Mamas Fahrrad an uns vorbei. »Das brauche ich für die Revolution«, knurrte er. Mama biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab.
    Ich sah, wie zwei Rotgardistinnen in meinem Zimmer auf dem Boden saßen und Kleider, Bettzeug und Spielsachen begutachteten. Die eine griff nach dem kleinen Spiegel, den ich unter dem Bett verwahrte. Sie warf einen Blick zu dem anderen Mädchen, um sicherzugehen, dass sie nicht beobachtet wurde, und lächelte dann ihr Spiegelbild an. Dabei neigte sie den Kopf zur einen und zur anderen Seite, schürzte die Lippen, runzelte die Stirn und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Nachdem sie sich lange genug bewundert hatte, steckte sie den Spiegel in ihre Uniformtasche und fuhr mit der Durchsuchung fort.
    Die andere Rotgardistin fand die Mao-Plakette, die ich von dem Soldaten bekommen hatte. Sie strahlte und ließ sie in ihrer Tasche verschwinden.
    Die Roten Garden beschlagnahmten alles, was ihnen bourgeois, zu den Vier Alten gehörig oder konterrevolutionär erschien. Papas Smith-Corona-Schreibmaschine, eine Kodak-Kamera, ein amerikanisches Grammofon, Krawatten, Bilder von Papas Amerika-Aufenthalt und eine Hundert-Watt-Glühbirne, weil diese angeblich Stromverschwendung sei, landeten auf dem Haufen der konfiszierten Gegenstände. Als die Rotgardisten abzogen, ließen sie Papa mehrere Kisten mit Büchern hinaustragen.
    Kaum waren sie verschwunden, rannte ich ins Badezimmer und zog das Buch heraus, das an meinem verschwitzten Rücken geklebt hatte. Der Schweiß hatte einen dunklen Fleck auf dem Umschlag hinterlassen.
    Von draußen hörte ich Sprechchöre und spähte aus dem Badezimmerfenster. Die Rotgardisten und eine Schar ihrer Anhänger hatten sich in einem dichten Kreis um ein Feuer versammelt. Daneben stand Papa und übergab seine Bücher den Flammen. Jedes Mal, wenn ein weiterer Band Feuer fing, jubelte die Menge. Ich spürte, wie Tränen in mir aufstiegen. »Weine nicht!«, ermahnte ich mich.
    Als Papa zurückkam, setzte er sich stumm an seinen Schreibtisch. Schüchtern trat ich zu ihm. »Meine Bücher«, klagte er. »Alle weg.« Er hatte Mühe, nicht vor mir in Tränen auszubrechen.
    Behutsam legte ich
Jean-Christophe
auf den Tisch. »Es tut mir so leid, dass ich den Umschlag nass gemacht habe, Papa«, sagte ich.
    Ich ging hinunter und nach draußen. Zwar waren die meisten von Papas Büchern verbrannt, aber ein Stück abseits standen noch zwei Kisten mit unbeschädigtem Inhalt. Ich trug sie in die Wohnung zurück. Wir räumten die Sachen auf, die die Rotgardisten überall in der Wohnung verstreut hatten. Wie Mama feststellte, war unter dem beschlagnahmten bourgeoisen Material auch unser Haushaltsgeld gewesen, das sie in einem Umschlag in der Schreibtischschublade aufbewahrt hatte.
    In den Wochen nach der Durchsuchung ging Papa mit seinen Kollegen jeden Tag zu Versammlungen, um die Werke des Vorsitzenden Mao zu studieren und seine Verbrechen zu bekennen. Als die Roten Garden der Sache überdrüssig

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