Federschwingen
diesen Vorwurf hin musste Erael erst mal schlucken. War er schwul, weil er einmal einen Mann geliebt hatte? Und jetzt war da Dantalion, der zwar durchaus weiche Gesichtszüge hatte, aber dennoch ein Mann war. Andererseits war ihm noch kein weibliches Wesen begegnet, das ihn in dieser Hinsicht gereizt hätte.
„Selbst wenn, das ist kein Verbrechen. Einen anderen Menschen zu verletzen dagegen durchaus. Du bist bereits vorbestraft, Robert, und sei dir sicher, dass es im Jugendknast ganz andere Kerle geben wird, die von dir verlangen, dass du dich nach der Seife bückst.“
Diese Aussicht ließ Robert erblassen, seine Miene blieb jedoch aggressiv verzogen, seine Hand senkte sich nicht. Die Gewaltbereitschaft umgab ihn wie eine Aura und schnürte Erael die Luft ab. Zu flink, um Erael eingreifen zu lassen, knallte Roberts Faust mitten in Davids Gesicht. Das hässliche Knacksen brechender Knochen wurde von Davids Schmerzgeheul fast auf der Stelle übertönt. Einen kleinen Augenblick lang wünschte Erael sich, Robert gegen die nächste Wand schleudern und ihm links und rechts kräftige Ohrfeigen geben zu können. Der Gedanke war schneller vorbei, als er gekommen war, und endlich war Erael wieder handlungsfähig.
„Und? Was geht dich das an? Bist wohl auch so ’ ne Schwuchtel wie der da!“
Erael grinste, wahrscheinlich für seine Spezies zu boshaft.
„Lass ihn los. Auf der Stelle!“
Robert ließ ein verächtliches „Pff!“ hören, zog den erhobenen Arm minimal zurück, um wie zuvor Schwung zu holen für den Schlag. Eraels Hand schoss vor, seine Finger umklammerten die Faust des Jungen, und er nutzte den Überraschungsmoment, um Robert von David weg und zu sich zu ziehen.
„Du hast jetzt die Wahl.“ Sein Blick bohrte sich in den wutverzerrten des Jungen. „Du gehst auf David los. Das ist schmerzhaft für ihn und wenn du Pech hast, landest du demnächst für so etwas im Knast. Für eine sehr, sehr lange Zeit, in der du dem Wort ‚ Schwuchtel ‘ eine völlig neue Bedeutung geben wirst. Oder du greifst mich an und kriegst den Arsch auf eine andere Weise voll. Ausgesprochen schmerzhaft für dich . Du kannst aber auch einfach die Hand sinken lassen, dich umdrehen, in dein Zimmer gehen und David zukünftig in Ruhe lassen. Das wäre die mutigste Entscheidung.“
Er spürte, wie die Körperspannung in Robert nachließ.
„Mutig?“ Robert spie ihm das Wort höhnisch entgegen. „Was ist daran mutig, den Schwanz einzuziehen, Arschloch?“
„Es ist immer mutig, sich gegen Gewalt zu entscheiden“, sagte Erael gelassen. „Und mein Name ist nicht Arschloch, ich heiße Eric.“ Als Dank für die freundliche Betitelung drückte er Roberts Hand zusammen, bis der aufjammerte.
„Tu dir selbst einen Gefallen und denk über die Folgen deines Handelns nach. Dazu bist du doch in der Lage, oder, Robert? Es gibt im Leben manchmal eine zweite Chance. Dieses Haus ist die Chance für dich. Also nutze sie und wirf nicht dein Leben weg.“ Damit ließ er Roberts Hand los und ging an den beiden Jungs vorbei ins Haus.
Frank Norton saß in seinem Büro und brütete über Finanzierungsplänen für das Wohnheim. Erael wusste, dass es ständig Ärger mit Fördergeldern gab und schon mehr als einmal hatten die Engel ihm damit aushelfen müssen, sich durch die Unterlagen zu wühlen und doch noch eine Finanzspritze herauszuholen. Norton war ein Mann in den späten Vierzigern und hatte inzwischen herausgefunden, dass Erael im Gegensatz zu ihm nicht alterte. Erst letztes Jahr hatte er die Wahrheit erfahren, war aber lediglich gelinde überrascht gewesen, da er ein sehr gläubiger Mensch war.
„Hallo, Frank!“ Erael schloss die Tür hinter sich und ging auf den altersschwachen Schreibtisch zu, auf dem sich diverse Papierstapel und Mappen zu wankenden Gebilden türmten. Erfreut schoss Frank in die Höhe und hielt ihm die Hand hin.
„Mann, bin ich froh, dass du da bist. Ich weiß bald wirklich nicht mehr, was ich mit Robert noch machen soll.“
Nach der Begegnung mit dem Teenager auf der Treppe hatte Erael bereits vermutet, dass es sich bei ihm um Franks Sorgenkind handelte.
„Ich werde mich nachher ein wenig mit ihm unterhalten. Wir hatten gerade eben einen kleinen Zusammenstoß.“
Frank schüttelte seufzend den Kopf. „Ich habe alles versucht, was mir eingefallen ist. Von Aggressionsbewältigungstherapie bis zu dem Vorschlag, er soll Beruhigungstee trinken …“
Blitzschnell kam Erael der Gedanke, dass bei Kerlen wie Robert
Weitere Kostenlose Bücher