Federschwingen
elektrisiert blieb Dantalion stehen. Ein Gestaltwandler? Seine Mundwinkel näherten sich den Ohren an, so breit grinste er.
„Bist du gut in deiner Wandlerei?“, fragte er in mäßig interessiertem Ton.
Moroi zuckte lässig mit den Schultern. „Klar.“
Dantalion zog skeptisch eine Braue hoch. Die Gesichtszüge seines Gegenübers begannen sich zu verändern, Moroi schrumpfte und im nächsten Moment war es Dantalion, als würde er in einen Spiegel blicken.
„Faszinierend“, flüsterte Dantalion ungläubig. „Du bist wirklich gut. Ich werde dich bei Gelegenheit ein paar Kontakten empfehlen. Aber dafür will ich eine Gegenleistung, Gestaltwandler.“
Moroi grinste und lehnte sich in Dantalions Gestalt gegen eine Wand. „Was darf es sein, Dantalion? Wenn ich eine Chance auf dein Team habe, tue ich alles, was notwendig ist.“
„Mein Team? Wir sind voll besetzt. Was willst du bei uns?“
Moroi zuckte mit den Flügeln, die er nun ebenfalls besaß. „Nun, man hört, dass Seeres Effektivität aufgrund seines Privatlebens derzeit ein wenig eingeschränkt ist. Vielleicht wächst euch ja die Arbeit über den Kopf und vielleicht willst auch du kürzertreten ...“
„Was?“ Dantalion lachte auf. Interessant, wie die Gerüchteküche der Hölle brodelte. Dabei sollte Seere aufgrund seiner Stellung in der Hierarchie völlig aus dem Fokus der niederen Dämonen gehalten werden, falls ihnen ihr Leben lieb war. Andererseits waren die Wächter allesamt etwas wie Idole für junge Dämonen. Wenn er auch nicht damit gerechnet hatte, SO berühmt zu sein. Oder war er eher berüchtigt? Egal.
„Ich enttäusche dich nur ungern, Gestaltwandler, aber mit dem Höllenprinzen ist alles in Ordnung. Ebenso bei Großfürst Leonard und mir.“ Die Nennung ihrer Titel war Absicht, obwohl sie für ihren Wächterjob irrelevant waren. Er wollte diesen aufmüpfigen Dämon daran erinnern, dass er hier mit dem Feuer spielte, sollte er solche Gerüchte verbreiten. Und in diesem Feuer würde er verbrennen. Gnadenlos.
„Ich habe nie sagen wollen, dass bei euch etwas nicht in Ordnung ist. Ich wollte lediglich eine Entlastung für euer Team vorschlagen“, erwiderte Moroi mit einem ungezwungenen Grinsen, das Dantalion einen leichten Schauer über den Rücken jagte, schließlich kam es ihm aus seinem eigenen Gesicht entgegen.
„Und diese Entlastung sollst du darstellen, Junge?“
„Natürlich. Könnte euch etwas Besseres passieren als jemand, der jegliche Gestalt annehmen kann?“
Dantalion konnte kaum glauben, wie arrogant dieser junge Dämon war.
„Wie alt bist du?“, fragte er, sah zu, wie sich Moroi in sich selbst verwandelte und leicht rot wurde.
„Ein Jahr. Knapp.“ Auf diese Antwort hin biss sich Dantalion auf die Zunge, um nicht laut aufzulachen. Der Kleine musste noch extrem viel lernen, bis er überhaupt den Hauch einer Aussicht auf einen Wächterposten hatte. Ein, zwei Jahrhunderte würde das garantiert dauern – und er würde sich nicht bis auf die Knochen blamieren, indem er seinen Bekannten einen ein Jahr alten Dämon als möglichen Kandidaten vorschlug. Allerdings …
„Dafür beherrschst du die Transformation enorm gut.“
„Ich bin eben ein Naturtalent. Und ich lerne schnell.“
„Was dagegen, wenn ich das auf die Probe stelle?“, fragte Dantalion grinsend.
Moroi verbeugte sich in gespielter Unterwürfigkeit, die ihm an anderer Stelle zehn Peitschenhiebe eingebracht hätte. Aber nicht hier und das wusste er wohl. „Ich stehe zu deiner Verfügung.“
Dantalion drang ohne Rücksicht in Morois Geist ein und projizierte ein Bild von Erael in seinem Kopf. Dabei musste er schwer darauf achten, nicht seine Gedanken über diesen wunderschönen Engel mitzuschicken. Also konzentrierte er sich aufs Sachliche, auf blonde Haare, blaue Augen, weiße Flügel.
„Gib mir ihn und folge mir. Dann wirst du einen vergnüglichen Abend mit mir haben.“
Dantalion beobachtete, wie seinem Gegenüber weiße Schwingen wuchsen. Der Körper streckte sich, die Statur und die Gesichtszüge veränderten sich innerhalb weniger Sekunden. Es war unglaublich, aber da stand Erael vor ihm. Noch unglaublicher war, dass Moroi seine mentale Attacke so gut weggesteckt hatte. Andere hätten jetzt höllische Kopfschmerzen.
„Seine Stimme“, hörte er Morois Tonfall aus Eraels wunderschönem Mund. Ein heißer Schauer lief ihm über den Rücken. Moroi konnte sogar die Stimme imitieren? Eine solche Detailgenauigkeit war ihm bisher nicht bekannt
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