Fee und der Schlangenkrieger
und blickte ins Feuer. Eigentlich war sie dankbar für alles, was ihr widerfahren war. Obwohl sie ihre Eltern vermisste und traurig war, war sie alles in allem doch ziemlich zufrieden mit ihrem Leben. Sie war etwas überrascht von ihrer fatalistischen Stimmung, aber wenn sie jetzt starb, hatte sie ein interessantes Leben gehabt.
Später gab es Musik und die Schlangenleute tanzten. Fee zog sich auf einen Hocker in der Nähe des Essens zurück. Das war keine gute Idee, da sich immerzu Schlangenleute etwas zu essen holen wollten, sie sahen und ansprachen. Diamal forderte sie zum Tanzen auf und Fee musste lächeln. Jetzt wusste sie, wie Schlotte sich gefühlt hatte, weil ihr ein Teenager nachgelaufen war. Sie vertröstete Diamal vage auf „später vielleicht“ und suchte sich einen anderen Sitzplatz. Sie wollte sich nicht zurückziehen, sie wollte nicht allein sein, aber sie wollte auch mit niemandem sprechen. Auf der anderen Seite des Dorfplatzes, wo nicht so viele Menschen waren, stand ein großes Fass unter dem Vordach eines Hauses im Dunkeln. Fee stellte ihren Becher Honigwein ab, zog sich hoch auf das Fass und lehnte sich gegen die Hauswand. Na bitte. Um sich an dem heißen Getränk zu wärmen, nahm sie den Becher in beide Hände. Ihre Stimmung war immer noch ziemlich im Keller. Sie fühlte sich wohl hier im Dorf, aber sie gehörte einfach nicht dazu. Wie auch, sie wusste nicht, ob ihr Leben hier sicher war, weil es allein von einem Mann abhing, den sie einfach nicht einschätzen konnte. Wie konnte sie da das Gefühl haben dazuzugehören? Fee nahm einen tiefen Schluck. Das war es. Sich einfach betrinken und nicht mehr nachdenken. Masral hatte gesagt, die Schlangen feierte das Leben, das in ihnen floss. Sie beobachtete Masral, der mit Juja am Feuer tanzte. Jujas hellbraunes Haar leuchtete rot im Feuerschein, und sie lachte Masral an. Was bahnte sich denn da an? Von den Großmüttern wusste sie, dass Polygamie vorkam, aber eigentlich selten war. Und übrigens nicht allein den Männern vorbehalten war. Hajet kümmerte sich nicht um Masral, der Juja herumwirbelte. Ob sie drüben im Sonnendorf auch das Ende des Winters feierten? Fee dachte an Schlotte und an Ning. Der würde jetzt mit Ela tanzen. Seufzend nahm sie noch einen Schluck. Juja sah so glücklich aus... sich einfach einmal wieder gut fühlen!
Sie wurde aus ihren Gedanken geholt, als sie neben sich eine Bewegung wahrnahm. Jemand trat zu ihr und hielt ihr etwas hin. Fee wandte ihre Aufmerksamkeit auf den Gegenstand. Ein Stabdolch. Sie hob den Kopf. Lenyal stand neben ihr. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
„Du wolltest ihn doch sehen.“
Er fragte sie nicht, wieso sie hier allein im Dunkeln saß, und Fee war das sehr recht so. Sie nahm den Stabdolch in beide Hände. Die Klinge war unverziert und mit drei Nieten am Schaft angebracht. Der Schaft selbst war mit Linienbündeln und Perlpunzlinien verziert. Fee musste grinsen. Der Stabdolch sah haargenau aus wie die Waffen, die sie in den Katalogen in der Bibliothek abgebildet gesehen hatte. Wer weiß, vielleicht hatte sie ja sogar tatsächlich genau diese Waffe schon einmal in einer Publikation gesehen? Es war unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Mann, davon konnte man wirklich Kopfschmerzen bekommen. Aber war es wirklich eine Waffe? Sie hob den Kopf.
„Benutzt du das im Kampf?“
„Nein“, sagte Lenyal, „du spürst doch, dass dies als Waffe überhaupt nicht ausgewogen wäre.“
Fee nickte. Der Dolch war schwer, der Holzstab wog dagegen fast gar nichts.
„Wozu dient es dann?“
„Das ist eine alte Tradition. Die Geschichtenerzähler sagen, früher, vor unzähligen Generationen, als unser Volk noch weit im Osten lebte und wir keine Schwerter hatten, kannten wir keinen Krieg. Damals sollen unsere Vorfahren Beile auf Schäften befestigt haben, mit denen die Frauen und Männer den Boden auflockerten, um Getreide zu sehen. Sie fällten Bäume damit, um Häuser zu bauen, ihre Herdfeuer zu nähren und um weiteres Ackerland zu gewinnen, das sie bestellen konnten. Dann kam der Krieg in die Welt und die Erdmutter wurde getränkt vom Blut ihrer Kinder. Heute nutzen wir das Beil als Waffe. Jede unserer Kriegerinnen und jeder unserer Krieger kann mit dem Wurfbeil umgehen. Aber nur der Anführer oder die Anführerin aller Krieger unseres Volkes trägt bei uns ein solches Bronzebeil an einem Stab. Es ist als Waffe untauglich, denn es soll uns daran erinnern, dass die eigentliche Aufgabe des Anführers oder
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