FEED - Viruszone
werde.«
»Das ist auch nicht der Sinn der Sache.«
»Was ist dann der Sinn der Sache?«
»Der Sinn der Sache ist, dass du Zeit hast, alle Serverinhalte runterzuladen, auf CD zu brennen und nach Irland abzuhauen«, antwortete ich. Irland hatte bis heute kein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten. »Wenn du es über die Grenze schaffst, kannst du da wahrscheinlich auf Jahre untertauchen.«
»Und was soll ich machen? Hoffen, dass man meinen Status als internationaler Terrorist vergisst?«
»Sorg dafür, dass die Welt die Wahrheit erfährt.«
Diesmal antwortete er noch länger nicht. Als Mahir wieder etwas sagte, war seine Stimme leise und klang wie von weit weg. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich durch dein Vertrauen geschmeichelt fühlen soll oder ob es mich beunruhigen sollte, dass mein Leben dein Notfallplan ist.«
»Heißt das, dass du es nicht tust?«
»Spinnst du? Natürlich tue ich es. Ich hätte es auch getan, wenn du mich direkt darum gebeten hättest oder wenn du mich in einem Monat gefragt hättest. Es ist die einzige Möglichkeit.« Nach kurzem Zögern fügte er wehmütig hinzu: »Ich wünschte nur, dass ich mich nicht so unwohl mit dem Gedanken fühlen würde, dass du ohne Unterstützung klarkommen musst. Rick ist ein guter Kerl, aber ich habe nicht lange genug mit ihm zusammengearbeitet, um mir sicher zu sein, dass ich dich in fähigen Händen zurücklasse.«
»Was er nicht auf die Reihe kriegt, schafft Shaun«, sagte ich. »Um Mitternacht kappe ich deinen offiziellen Serverzugriff. All dein Material spiegele ich auf die alte Serveradresse. Erinnerst du dich an den alten Server?« Der »alte Server« war eine Kiste, die wir von Talking Points gemietet hatten, als wir noch ein Teil von Bridge Supporters gewesen waren. Auf ihm hatten wir Sicherungskopien unserer Daten hinterlegt, wenn wir unterwegs waren, da Bridge Supporters nichts online stellte, was nicht vollständig verifiziert war, und Uploads von Beta-Bloggern nicht länger als vierundzwanzig Stunden speicherte. Wir hatten schon eine ganze Weile vor dem Beginn der Wahlkampftour aufgehört, ihn zu benutzen, und praktisch niemand außer den Autoren von Talking Points wusste, dass ich ihn immer noch gemietet hatte. Er war nicht absolut sicher, aber andererseits gehörte er auch nicht uns. Mahir konnte darauf zugreifen, ohne eine Spur zu hinterlassen, die bewies, dass er noch Teil unseres Teams war.
»Ja«, antwortete er. »Wahrscheinlich sollte ich dich nach diesem Gespräch nicht wieder anrufen.«
»Das wäre keine gute Idee. Wenn’s geht, nehme ich Kontakt zu dir auf.«
»Klar doch.« Er lachte leise. »Wir sind echt ein paar Spione.«
»Willkommen im Journalismus.«
»Allerdings. Ich wünschte, ich wäre dir persönlich begegnet, Georgia Mason. Ganz ehrlich. Es war mir eine Ehre und ein Privileg, mit dir zusammenzuarbeiten.«
»Vielleicht kriegst du noch die Gelegenheit dazu, Mahir. Ich bin noch nicht dazu bereit, uns abzuschreiben.« Ich setzte meine Sonnenbrille wieder auf. »Sei brav, sei vorsichtig und sei wachsam. Dein Name wird immer noch mit Nach dem Jüngsten Tag in Verbindung gebracht. Daran kann ich nichts ändern.«
»Das würde ich auch nicht wollen. Pass auch auf dich auf, ja?«
»Ich versuch’s. Gute Nacht, Mahir.«
»Gute Nacht, Georgia … und viel Glück.«
Das Klicken, als die Verbindung getrennt wurde, klang viel zu endgültig. Ich ließ mein Telefon zuschnappen, streckte mich, seufzte und griff nach dem Türknauf. Es war Zeit, zu meinem Team zurückzukehren.
Wir hatten einen Riesenhaufen Arbeit vor uns.
Mit Bedauern, aber ohne Scham muss ich meinen Abschied von dieser Seite bekannt geben. Unsere Wege trennen sich nicht aufgrund politischer oder religiöser Differenzen. Mein Abschied wird einzig von dem Wunsch motiviert, mich anderen Dingen zu widmen. Ich wünsche den Masons alles Gute für ihre zukünftigen Projekte, und ich freue mich darauf, die Früchte ihrer Arbeit zu sehen.
Ich bin mir sicher, dass sie spektakulär sein werden.
Aus Fisch und Clips, dem Blog von Mahir Gowda,
9. April 2040
23
Im Nachrichtengeschäft sind sechs Wochen eine lange Zeit, selbst, wenn man gerade nicht an einem Riesenthema arbeitet. Eine Wahlkampagne mitzuverfolgen ist ein Riesenthema, das mit Leichtigkeit ein ganzes Team fleißiger Blogger beschäftigt. Eine neue Ressortleiterin einzuarbeiten ist ebenfalls eine Riesensache. Den Fiktiven muss man tendenziell am wenigsten das Händchen halten, da sie im
Weitere Kostenlose Bücher