FEED - Viruszone
gut. Ich konnte ihm nicht trauen, solange ich nicht wusste, ob er mit Tate zusammenarbeitete. Er verstand nicht, warum wir uns zurückzogen oder warum wir überarbeitet und mürrisch vor Erschöpfung waren. Selbst Shaun wirkte sichtlich in sich gekehrt. Er ging nicht mehr mit Steve und seinen Jungs ins Feld, wenn er nicht gerade einen Beitrag schreiben musste, und obwohl er nach wie vor seinen vertraglichen Pflichten nachkam, zeigte er aber nicht einmal ansatzweise die Begabung und den Enthusiasmus, die Ryman mittlerweile von ihm erwartete. Von uns allen. Wir konnten nichts dagegen machen. Solange wir nicht wussten, ob wir ihm trauen konnten, konnten wir ihm nicht sagen, was los war – was wir vermuteten, was wir wussten oder sonst irgendwas. Und solange wir ihm nicht sagten, was los war, konnten wir uns nicht sicher sein, ob er vertrauenswürdig war. Es war wie ein Möbiusband, ein Problem, dass sich immer wieder in sich selbst zurückkrümmte, und ich sah einfach keinen Ausweg. Also stießen wir ihn von uns weg und hofften, dass er die Gründe dafür verstehen würde, sobald all das vorbei war.
Schließlich war es wieder an der Zeit, uns auf den Weg zu machen. Wir fuhren durchs Land, als wäre nie etwas Schlimmes passiert. Fast nie: Chuck war fort, und an seiner statt begleitete uns ein blässlicher Hanswurst, der arbeitsam um uns herum wieselte und alles vermied, was auch nur ansatzweise nach sozialem Kontakt aussah. Während wir unterwegs waren, wuchs unser Sicherheitsteam auf die dreifache Größe an, und Shaun durfte nicht mehr ohne Begleitung losfahren. Regelmäßig zwang er seine Aufpasser mit beinahe gehässigem Vergnügen, ihm in die fiesesten, gefährlichsten Gebiete zu folgen, die er ausfindig machen konnte. Einiges von dem Videomaterial, das er von diesen Ausflügen mit zurückbrachte, war ehrlich gesagt erstaunlich. Die ganze Irwin-Gemeinde redet derzeit davon, ihn dieses Jahr für den Stevie-Preis in Gold zu nominieren, und es würde mich überraschen, wenn er nicht gewinnt.
Wir verbrachten einen Monat damit, uns im gesamten Westteil des Bundesstaats Freunde zu machen, während die anderen Kandidaten in der Luft und in den Großstädten blieben, in der Annahme, dass die wichtigen urbanen Zentren bessere Antiinfektionsvorkehrungen hatten. Erzählt das mal San Diego. Rymans unbekümmerter Wagemut brachte ihm einen Haufen Prozente ein, genug, um weiterhin in den Schlagzeilen zu bleiben, selbst nachdem der Medienrummel um die jüngste Tragödie sich gelegt hatte. »Mann des Volkes bleibt auf dem Boden« – so eine Zeile ist Gold wert. Manche Kommentatoren argumentierten erwartungsgemäß, dass allein Rymans Beharren auf altmodischen Wahlkampfmethoden schuld daran sei, dass seine Kampagne von Anfang an von Tragödien heimgesucht worden war. Doch der Tod von Buffy und Rebecca genügte, um diese Stimmen weitgehend zum Schweigen zu bringen. Mit viel Mühe konnte man dem Senator vielleicht noch die Schuld für die Sache in Eakly geben, aber nicht für Terroranschläge und Mordversuche. Amerika ist das Land der Freiheit und die Heimat der Paranoiker, und doch sind wir glücklicherweise nicht so tief gesunken. Noch nicht.
Sechs Wochen nach dem Vorfall in Memphis waren wir überarbeitet, übermüdet und standen kurz davor, uns in einem der härtesten, wichtigsten Wahlbezirke des Landes der Menge zu stellen: Sacramento, Kalifornien.
Man sollte meinen, dass Shaun und ich uns auf einen Zwischenhalt in der Hauptstadt unseres Heimatstaats gefreut hätten. Schließlich waren wir seit unserer Geburt mit Leib und Seele Kalifornier. Aber dem war nicht so. Im Prinzip besteht Kalifornien aus einer Reihe kleinerer Staaten, die durch politische Bande und Wasserrechte zusammengehalten werden, sowie durch die hartnäckige Weigerung jedes seiner Einzelteile, den Namen Kalifornien, der Gold wert ist, einem anderen zu überlassen. Die kalifornische Sezessionsbewegung gab es schon vor dem Erwachen – und sie setzte sich nicht dafür ein, dass der Staat sich vom Land lossagte, sondern dafür, dass die verschiedenen Teile des Bundesstaats sich voneinander lossagten. Sacramento hat nicht viel für die Bay Area übrig. Wir in der Bay Area haben das gute Wetter, die gute Presse und die Touristendollars, und sie? Sie haben den Regierungssitz und einen Haufen schwer zu verteidigendes Ackerland. Die Behauptung, dass zwischen den beiden eine gewisse Abneigung besteht, ist eine Untertreibung. Jegliche Verbundenheit war spätestens
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