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hätte sein können, rammte mir ihren linken Absatz mit einer Kraft auf den Fuß, die auch bei einer weit jüngeren Frau beeindruckt hätte. Glücklicherweise bestehen sogar meine feinen Schuhe aus verstärktem Polymer. Trotzdem musste ich mir auf die Zunge beißen, um nicht laut zu fluchen. Der Sicherheitsdienst mochte keine Probleme mit solch beiläufigen Attacken haben, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er den Ausruf »schwanzlutschendes Miststück« nicht tolerieren würde.
Nach viel Geschubse und mehreren schmerzhaften Tritten gegen Schienbeine und Knöchel fand ich mich rechts vom Senator wieder, der gerade bei einem Achtzigjährigen mit mächtigem Brustkasten stand, der ihm voller Inbrunst die Hand schüttelte. In den Augen des Alten brannte ein revolutionärer Eifer, wie man ihn nur bei Menschen sieht, die bereits in sehr jungen Jahren die Religion oder die Politik für sich entdeckt haben. Keiner von beiden schien meine Anwesenheit zu bemerken.
Der Händeschüttler machte keinerlei Anstalten, abzulassen, offenbar kam er gerade erst richtig in Fahrt. Ich wägte die Gefahr, von einem Achtzigjährigen angegriffen zu werden, gegen die Möglichkeit ab, dass er ermüden würde, und kam zu dem Schluss, dass ich handeln musste. So unauffällig wie möglich legte ich Senator Ryman eine Hand auf den freien Arm und sagte zuckersüß: »Senator, wenn Sie einen Moment für mich erübrigen könnten, wäre ich Ihnen zutiefst dankbar.«
Der Senator schreckte auf. Sein Belagerer warf mir Blicke wie Dolche zu, die zu ausgewachsenen Schwertern wurden, als der Senator sich zu mir umdrehte und sein bestes Titelbildlächeln aufblitzen ließ. »Selbstverständlich, Ms Mason.« Geschickt löste er seine Finger aus dem Händedruck. »Wenn Sie mich entschuldigen würden, Stadtrat Plant, ich muss mich mit jemandem aus meinem Pressekorps beraten. Meine Damen und Herren, ich bin gleich wieder bei Ihnen.«
Ich hatte fast fünf Minuten gebraucht, um mich durch das Gewühl zu kämpfen. Um wieder herauszukommen, brauchte es nichts als die Hand des Senators in meinem Rücken, die mich auf den freien Bereich links der Tribüne geleitete. »Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, gerettet zu werden, Georgia. Ich habe schon angefangen, mir Sorgen um die Knochen in meiner Hand zu machen. Aber was tun Sie hier?«, fragte Senator Ryman leise. »Als ich mich das letzte Mal erkundigt habe, hieß es, Sie wären im Kongresszentrum geblieben, weshalb auch Ihr Bruder hier sei, der dem Stab auf die Nerven fällt und alle Shrimp-Kanapees aufisst.«
»Ich bin im Kongresszentrum geblieben«, antwortete ich. »Senator, ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist, aber … « Jemand rief dem Senator eine Gratulation zu, worauf dieser mit einem Grinsen und einem hoch erhobenen Daumen antwortete. Es war ein perfekter Moment für ein Foto, und ich machte die Aufnahme mit der Kamera in meiner Armbanduhr, ohne auch nur darüber nachzudenken. Ein Reflex. Ich räusperte mich und fing noch mal von vorne an. »Buffy hat für jemanden gearbeitet, der die Kontrolle über Ihre Kampagne haben wollte.«
»Das haben Sie mir schon erzählt«, sagte er nun etwas brüsk. Ich erkannte den ungeduldigen Ausdruck in seinen Augen aus Dutzenden von Pressebriefings wieder. »Es gibt eine große, finstere Verschwörung, um mich zu Fall zu bringen. Ich verstehe allerdings nicht, was plötzlich so dringend ist, dass Sie hier rüberkommen und eine Szene riskieren, beim vielleicht wichtigsten politischen Ereignis meines Lebens. Heute Abend sind viele der Leute hier, die das Sagen haben – sehr viele. Dies sind die Menschen, die mir Kalifornien auf dem Silbertablett präsentieren könnten, und das würden Sie wissen, wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, die Pressemappen zu lesen und zu meiner Rede zu kommen.« Wenn Sie Ihre Arbeit gemacht hätten , lautete die unterschwellige Botschaft, die so deutlich war, dass er sie genauso gut laut hätte aussprechen können. Ich hatte ihn enttäuscht. Er hatte sich auf meine Berichterstattung als Teil seiner Kampagne verlassen, auf die objektive Journalistin, die er mit seiner Politik und seiner Rhetorik überzeugt hatte – doch ich war nicht für ihn da gewesen.
Seit Buffys Tod hatte der Senator sich immer wieder Ausflüchte von mir anhören müssen, und es war klar, dass er es langsam leid war. Mehr als nur leid: Er war wirklich verärgert davon, und ärgerte sich über mich.
Ich sprach nun schneller, damit er keine Gelegenheit
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