FEED - Viruszone
Stimme klang so panisch, dass ich mich umdrehte. Sie warf mir eine Handkamera zu. Ich fing sie und hob fragend eine Braue. »Bessere Bildqualität und sechzig Stunden Akkulaufzeit.«
Das Publikum liebt es, wenn man mit der Handkamera aufnimmt, solange man schnell genug wieder auf das glattere computergesteuerte Zeug umschaltet, bevor ihnen schlecht wird. »Alles klar«, sagte ich und folgte Shaun, wobei ich meine Cola öffnete.
Im Camp herrschte fieberhafte Aktivität. Wo ich mich auch hinwandte, liefen Wachleute mit schussbereiten Waffen umher. Ich konnte ihnen die Aufregung nicht verdenken. Jeder, der heutzutage in die Sicherheitsbranche geht, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit ähnlich drauf wie Shaun, und der war aus Mangel an gefährlichen Situationen, die er provozieren konnte, bereits langsam am Durchdrehen gewesen.
Weitere Schüsse erklangen aus Richtung Süden. Ich drehte mich um, machte die Kamera an und tippte mit der Colaflasche zweimal gegen den Kontaktschalter an meinem Gürtel. Mein Ohrstecker piepte. Kurz darauf erklang Shauns leicht atemlose Stimme in meinem Ohr. »Bin ein bisschen beschäftigt, George. Was gibt’s?«
»Wenn ich Aufnahmen machen soll, brauche ich deine Position.« Entferntes Stöhnen wurde vom Wind herangetragen. Buffys Mikrofone sind ziemlich empfindlich. Wenn sie irgendein Audiosignal empfangen, kann sie es verstärken und doppelt so laut und zehnmal so gruselig als Hintergrundgeräusch abspielen.
»Wo bist du?«
»Direkt vor dem Wagen.«
»Nordwest. Ich bin am Zaun.«
Das war genau die entgegengesetzte Richtung von der, aus der die lautesten Kampfgeräusch kamen. »Bist du dir da sicher?«
»Beeil dich und komm her!«, blaffte er und schaltete ab. Schulterzuckend wandte ich mich Richtung Norden und verfiel in Laufschritt. Ich habe gelernt, nicht mit Shaun zu streiten, wenn es um Zombies geht. Er weiß mehr über ihr Verhalten als ich auch nur im Traum erfahren möchte, und wenn er sagt »Norden«, dann hat er wahrscheinlich recht. Weitere Schüsse erklangen, und das entfernte Stöhnen wurde langsam lauter.
Das Licht von den Scheinwerfern am Zaun blendete mich, weshalb ich Shaun hörte, bevor ich ihn sah. Er fluchte fröhlich vor sich hin und benutzte dabei Ausdrücke, die einen Hafenarbeiter hätten erröten lassen, während er die Infizierten näher an den Zaun lockte. Fünf von ihnen zerrten mit verkrampften Fingern am Zaun, allesamt noch so frisch, dass sie fast wie Menschen aussahen, wenn man ihre extrem geweiteten Pupillen und die benommenen, hungrigen Blicke, mit denen sie Shaun bedachten, außer Acht ließ. Sie waren innerhalb der letzten Stunden gestorben. Ich hob die Kamera und zoomte ihre Gesichter ran.
Shaun bemerkte meine Anwesenheit nicht mal, bis meine Colaflasche auf den Asphalt knallte. Er hörte auf, die Infizierten zu piesacken, trat vom Zaun zurück und schaute mich an. »George? Was ist los? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Das habe ich auch.« Ich zeigte auf einen der Zombies. Ohne Vergrößerung war sie für mich nur eine dünne junge Frau gewesen, kaum kräftiger als Buffy. Die Wunde, die sie getötet hatte, hob sich grellrot von der noch rosigen Haut ihres Halses ab, und ihr hellgrauer University-of-Oklahoma -Pulli war blutbefleckt. »Erkennst du sie?«
»Sollte ich das?« Shaun beugte sich dichter an den Zaun. Die Zombiefrau bleckte fauchend die Zähne und rüttelte heftiger am Zaun. »Sie ist eindeutig keine Exfreundin von mir, George. Sie ist zwar süß, aber viel zu tot für meinen Geschmack.«
»Als ob du irgendwelche Exfreundinnen hättest. « Shaun hatte etwa so viele Dates wie ich, will sagen: überhaupt keine. Buffy hat normalerweise zu jedem gegebenen Zeitpunkt fünf bis sechs Liebhaber und Buhler, aber Shaun und ich haben uns nie die Mühe gemacht. Es ist bisher immer was anderes dazwischengekommen.
»Tja, wenn ich Exfreundinnen hätte , würden sie nicht wie sie aussehen. Also, was ist los?«
»Sie war diejenige, die beim Auftritt des Senators applaudiert hat wie bestellt.« Lebendig hatte sie sehr viel besser ausgesehen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, sie nach der Fragerunde noch einmal gesehen zu haben. Wenn sie sofort gegangen war und es sie auf der Straße erwischt hatte … in Anbetracht ihres Körpergewichts wäre genug Zeit für eine vollständige Virenaktivierung und anschließende Widerauferstehung gewesen. Man konnte sich die Sache leicht ausmalen. Eine junge Studentin geht allein zu
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