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berufen können, war die Sache mit Rick, der noch seine persönlichen Besitztümer aus dem Hotel holen musste, das der Wagman-Kampagne als Einsatzzentrale gedient hatte, doch ich erwartete nicht, dass das ein ernsthaftes Problem werden würde. Obwohl wir ihm keine Verschnaufpause gewährt hatten, hatte er von der ersten Minute an hervorragende Arbeit geleistet. Seine Aufnahmen von Senator Rymans Rede bei der Kandidatenwahl waren erstklassig, insbesondere, nachdem wir sie mit dem Video vom Angriff auf die Ranch zusammengeschnitten hatten. Seit dem Parteitag sind unsere Zuschauerzahlen um über achtzehn Prozent hochgeschnellt, und sie steigen noch immer. Teilweise führe ich das darauf zurück, dass Rick zu uns gestoßen ist. Wir sind die Einzigen, die einen Exklusivbericht über Wagmans Rückzug aus dem Wahlkampf gebracht haben. Wenn man noch die Nominierung und die Tragödie auf der Ranch hinzunimmt, tja …
Manchmal steht das Wort »Glück« im Nachrichtengeschäft schlicht und einfach dafür, am Unglück anderer Leute zu verdienen.
Der März in Wisconsin unterscheidet sich deutlich vom März in Kalifornien. Am Tag der Beerdigung war es kalt und der Himmel grau, und hier und da lag Schnee auf dem ums Überleben kämpfenden Rasen des Familienfriedhofs der O’Neils. Emilys Familie lebte schon so lange hier, dass sie einen eigenen Friedhof hatte. Wenn es wie in den alten Zombiestreifen gewesen wäre und die Toten sich tatsächlich aus dem Boden gegraben hätten, dann wäre die Beerdigung zu einem Blutbad geworden.
Doch glücklicherweise war das einer der Punkte, an dem die Filme sich geirrt hatten. Der Erdboden unter der unregelmäßigen Schneedecke war ebenmäßig, abgesehen von den dunklen Stellen vor den drei Grabsteinen an der Westmauer, wo man Löcher ausgehoben hatte. Auf der Grünfläche in der Mitte waren Klappstühle aufgestellt, und die Leute saßen dicht beieinander und hielten den Blick standhaft von der aufgeworfenen Erde abgewandt. Eine Frau, die Peter entfernt ähnlich sah – immerhin so sehr, dass ich sie vorläufig als seine Kusine, wenn nicht als seine Schwester, einordnete – , murmelte ihrem Begleiter zu: »Sie sind so klein .«
Natürlich. Friedhöfe haben in unserer modernen Welt etwas Eigenartiges. Da die meisten Leichen verbrannt werden, sind sie überflüssig, es sei denn, man ist sagenhaft reich und ausgesprochen religiös oder klammert sich mit beiden Händen an althergebrachte Traditionen. Wenn es tatsächlich eine Beerdigung gibt, dann sieht man nicht die bedeutungsschwangeren Rechtecke aufgeworfener Erde, wie man sie aus Filmen von vor dem Erwachen kennt. Moderne Gräber sind kleine runde Löcher im Gras, gerade groß genug, um eine Handvoll Asche aufzunehmen.
Die Familien Ryman und O’Neil saßen durchmischt und trugen Trauer: Sie waren allesamt in Schwarz und Holzkohlegrau gekleidet, hier und da mit einer Spur Weiß oder Cremefarben, wo ein Hemd oder eine Bluse hervorschaute. Selbst die kleinen Mädchen Jeanne und Amber trugen schwarzen Samt. Shaun, Buffy und ich waren die Einzigen, die nicht zu einer der beiden Familien gehörten. Die Sicherheitsleute des Senators – zusammengestellt aus den Kampagnenbegleitern und den neuen Leibwächtern vom Geheimdienst – warteten am Friedhofstor und bewachten das Gelände, ohne die Feierlichkeiten zu stören. Wir gehörten zu den wenigen Privilegierten, und alle wussten es. Die Verwandtschaft hatte uns mehr als nur ein paar unschöne Blicke zugeworfen, als wir unsere Positionen bezogen hatten.
Nicht, dass mir das etwas ausgemacht hätte. Wir waren wegen Peter hier, wegen Emily, und wegen der Nachrichten. Was der Rest der Familie dachte, war uns egal.
»… und so haben wir uns zusammengefunden, um im Angesicht des Herrn die sterblichen Überreste seiner geliebten Kinder in seine Obhut zu übergeben, auf dass er sie hüte und sie den Gefahren dieser Welt nicht länger ausgesetzt seien, bis zu dem Tag, an dem wir im Himmelreich wieder vereint werden«, sagte der Geistliche. »Denn sein ist das Himmelreich, das Leben und die Kraft, und durch seine Gnade wird uns das ewige Leben zuteil. Lasset uns beten.« Die Familienangehörigen neigten die Häupter. Buffy tat es ihnen gleich. Die Glaubenssätze, nach denen man sie erzogen hatte, beschränkten sich darauf, die Wahrheit zu sagen, seine Fluchtwege zu kennen und immer Ersatzmunition dabeizuhaben.
Shaun und ich senkten nicht die Köpfe. Irgendjemand musste die Augen offen halten. Nachdem ich
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