Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
spüren. Für eine kurze Zeit hatte er sogar seine Sorge um Dhalia vergessen. Manchmal kamen ihm die Wochen, die er mit ihr verbracht hatte, wie ein Traum vor - schön, aber unwirklich und längst vergangen, wie in einem anderen Leben. Hatte es sie tatsächlich gegeben? Hatten sie die Abenteuer wirklich gemeinsam erlebt oder waren es nur seine Fantasien gewesen, geboren aus einer namenlosen Sehnsucht? Er schloss die Augen und sofort tauchte ihr Gesicht vor ihm auf. Oh nein, er hatte sie nicht bloß geträumt. Sie war real. Und er würde sie wiederfinden, wo auch immer sie sein mochte. Vielleicht, dachte er mit einem plötzlichen Lächeln, fand sie ihn auch zuerst. Denn daran, dass sie ihn ebenfalls suchte, zweifelte er keinen Augenblick.
Ein fremdartiges Wiehern schreckte ihn auf einmal aus seinen Überlegungen auf. Er war schon halb aufgesprungen, bevor er die Quelle des Geräusches überhaupt entdeckt hatte.
Vor ihm stand ein großes schwarzes Pferd und schaute ihn über das Feuer hinweg durchdringend an.
Chris schauderte. Der Blick wirkte fast menschlich, als wüsste das Wesen genau, wer er war.
Dann bewegte sich das Pferd und Chris sah etwas leblos auf seinem Rücken liegen. Sein Herz stockte, als er im schwachen Flackern des Feuers Dhalias leichenblasses Gesicht erkannte.
Mit einem Sprung war er bei ihr und hob sie sanft in seine Arme. Ihr Körper war kalt und schlaff, doch er hörte ihr Herz schlagen, als er sie an seine eigene Brust drückte. Das Pferd ließ es regungslos geschehen. Dann wandte es sich ab und verschwand ebenso lautlos im Wald, wie es erschienen war.
Erst jetzt fiel Chris auf, dass Dhalia halbnackt und blutverschmiert war. Doch er hatte keine Zeit, sie genauer zu untersuchen. Zuerst musste er sie aufwärmen. Er bettete sie auf seine Decke und legte seinen Mantel über sie. Panik und Freude darüber, sie endlich wieder zu haben, mischten sich in seinem Herzen und ließen seinen Kopf schwindeln. Vorerst durfte er jedoch keinem dieser Gefühle nachgeben. Er musste klar denken.
Er legte noch ein paar Zweige ins Feuer, so dass es hell aufloderte. Dann holte er mit einem Ast einen der Steine, die seine Feuerstelle begrenzten, heraus und legte ihn ihr zwischen die Füße. Danach holte er seinen Wasserkessel vom Feuer und suchte in seinem Gepäck nach etwas, dass er zum Reinigen und Verbinden verwenden konnte. Anschließend setzte er sich zu ihr. Ihr Gesicht schien durch die Wärme etwas mehr Farbe bekommen zu haben - oder war das nur sein Wunschdenken? Auf jeden Fall war es furchtbar zerschunden. Mit Schrecken zog er einen kleinen blauen Glassplitter aus ihrer Wange. Was war ihr nur zugestoßen? Mit Tränen in den Augen strich Chris über die wenigen unversehrten Stellen in diesem einst so schönen Gesicht. Die Heilung würde nicht ohne Narben bleiben. Dann tauchte er ein Stück Stoff ins heiße Wasser und begann behutsam, die Kratzer und Schnitte zu reinigen.
Dhalia stöhnte mehrmals schmerzerfüllt auf, doch sie erwachte nicht. Was hätte er nicht alles für ein wenig von der Heilsalbe gegeben, die sie einst mitgeführt hatte. Aber sie war nun lediglich auf seine sehr beschränkten Heilkünste angewiesen.
Nachdem er ihr Gesicht versorgt hatte, schlug er zögernd den sie bedeckenden Mantel zurück. Sie lag auf dem Rücken und ihr Hemd hing ihr in Fetzen vom Körper. Ein Ärmel war der Länge nach zerrissen und blutgetränkt und eine Schulter guckte nackt hervor. Zumindest schien die Blutung bereits gestoppt. Der Riss und die Wunde trugen Stücke von Rinde in sich - hatte ein Ast sie aufgespießt? Geschockt biss Chris sich auf die Lippe. Was war nur geschehen?
Sanft hob er ihren Oberkörper an, um ihr die Reste des zerschlissenen Hemdes auszuziehen. Dhalia stöhnte erneut. Chris stockte. Aber dieses Mal war es nicht Mitgefühl mit ihrem Schmerz, das ihn erst erstarren und dann zurückschrecken ließ, als hätte sie sich unter seinen Händen in eine Giftschlange verwandelt. Chris sprang so hastig auf, dass Dhalias Körper schwer auf ihr Lager zurückfiel und er selbst beinahe den Wasserkessel umstieß. Fassungslos und schockiert starrte er sie an, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Nein, das konnte nicht sein! Er musste sich geirrt haben - eine optische Täuschung, ein Stofffetzen vielleicht. Alles, nur nicht das, was er gesehen zu haben glaubte. Doch er wusste, dass er sich nicht geirrt hatte. Vorsichtig, als wäre sie ein gefährliches Tier und nicht die Dhalia, die er so schmerzlich
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