Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
ergriff.
Das kann nicht wahr sein, das darf es nicht! dachte Dhalia verzweifelt und doch wusste sie, dass es stimmte. Es waren die gleichen Augen, die sie vor über achtzehn Jahren überrascht und erschrocken in der Wiege angeschaut hatten, als sie für einen Augenblick nebeneinander gelegen hatten, die sie nun kalt und voller Spott musterten.
Es war alles umsonst gewesen - die Mühe, die Gefahr und der Schmerz. Selbst die Alten Feen, falls es sie überhaupt noch gab, hätten ihr nicht mehr helfen können. Denn vor ihr stand sie - die richtige Dhalia, die Frau, die den Herrscher hätte vernichten können, wenn sie es nur gewollt hätte. Die Frau, die ihrer Mutter so herzzerreißend ähnlich sah. Doch sie wollte es nicht. Niemals würde sie ihr Volk befreien, niemals ihre wahren Eltern in Liebe umarmen.
Dhalias Knie knickten unter der Last ihrer Verzweiflung ein, kraftlos brach sie zusammen und schüttelte in stummer Qual ihren Kopf. Wenn sie nur die leiseste Hoffnung gehabt hätte, sie hätte die Frau vor ihr angefleht, es sich noch anders zu überlegen, die Seite ihres Volkes und ihrer Eltern zu wählen. Aber die eisblauen Augen sonnten sich in ihrer Verzweiflung und Dhalia wusste, dass jedes Flehen vergeblich gewesen wäre. Die Prophezeite hatte ihre Wahl schon vor langer Zeit getroffen.
"Siehst du nun, warum dein Plan, wie auch immer er gewesen sein konnte, von Anfang an zum Scheitern verurteilt war?" sagte der Herrscher, der sie zufrieden beobachtet hatte. "Das Mädchen aus der Prophezeihung hatte sich schon längst entschieden, und zwar für mich! Dafür habe ich beizeiten gesorgt. Und jetzt sei ein braves Kind und sag mir, wer dich aufgezogen hat, und ich verspreche dir einen schnellen Tod."
Trotz der Betäubung, die sie befallen hatte, brannte eine Frage noch fieberhaft in Dhalias Geist. "Erst, wenn Ihr mir eine Frage beantwortet", sagte sie plötzlich zu ihrer eigenen Überraschung. Das hübsche Gesicht der blonden Frau verzog sich vor Zorn über ihre Frechheit und auch der Herrscher runzelte unzufrieden die Stirn. Doch Dhalia spürte, dass es richtig war. Es gab für sie kein Zurück.
"Wer waren meine Eltern?" verlangte sie mit klarer Stimme zu wissen, bevor der Mut sie verließ.
Der Herrscher stutzte. "Ich war mir sicher, dass du es mittlerweile wissen müsstest", erwiderte er. "Sollte ich mich etwa in dir getäuscht haben?" fügte er murmelnd hinzu. Dann packte er sie grob an der Schulter und riss sie herum. Sie hörte, wie er sein Schwert schwang, und erwartete jeden Augenblick, den kalten Stahl in ihrem Rücken zu spüren. Doch er ritzte nur leicht ihre Haut, als er ihr hinten das Gewand zerschnitt. Sie spürte den Verband, den sie sich immer anlegte, ebenfalls durchtrennt herunterrutschen.
Sie war bloßgestellt, entblößt. Am Rande ihres Bewusstseins hörte Dhalia ein schockiertes Raunen hinter ihrem Rücken, doch sie achtete nicht darauf. Das, was sich um sie herum abspielte, war zu schrecklich, als dass noch etwas anderes zu ihr durchdringen konnte.
"Da!" Zufrieden wies der Herrscher auf die zwei dünnen durchsichtigen Flügel, die sich zaghaft auf ihrem Rücken entfalteten. "Selbst dir musste doch mittlerweile aufgegangen sein, was die bedeuten", spie er verächtlich aus. "Und jetzt sag mir endlich, was ich wissen will!"
"Nein!" Sie war nicht wie die Prophezeite. Sie würde ihre Familie nicht verraten. Eher würde sie sterben.
"Dann eben nicht!" brüllte der Herrscher, dessen Geduld am Ende war, und schwang abermals sein Schwert. "Ich werde es ohnehin herausfinden!"
In diesem Moment stürmte Dhalia nach vorn, rammte ihm ihre Schulter in den Magen und rannte auf das große runde Fenster hinter ihm zu. Er hatte ihre Eltern getötet, zumindest diesen Triumph würde sie ihm nicht gönnen.
"Tötet sie!" Der Befehl erschallte, noch bevor sie das bunte Fenster erreichte. Er galt den Dunkelfeen, denn die Soldaten hatten keine Wurfwaffen.
Doch die Dunkelfeen rührten sich nicht. Dazu hatten Eliza und Dorian nicht einmal Dennas gemurmeltes "Nein!" gebraucht. Keine Fee erhob jemals ihren Arm gegen eine andere Fee. Es gab nichts, das einen solchen Frevel wider die Natur rechtfertigte.
Mit einem lauten Klirren zerbarst das Glas und Dhalia stürzte. Erst da erkannte sie, wie hoch der Turm war, aus dem sie fiel, und ihre kleinen untrainierten Flügel flatterten verzweifelt, um ihren Sturz abzufangen. Schließlich erfasste sie eine Windbö und trug sie fort, fort von dem Turm, fort von der Stadt.
Irgendwann
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