Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
herbeigesehnt hatte, näherte er sich ihr wieder und drehte sie mit ausgestreckten Armen auf die Seite. Da waren sie, die verräterischen Flügel, die sie als eine von
ihnen
auswiesen. Die Flügel, die eine unüberbrückbare Kluft zwischen ihm und ihr aufgerissen hatten. Obwohl ihn der Anblick unerträglich quälte, konnte er seine Augen nicht von ihren so zerbrechlich scheinenden durchsichtigen schimmernden Flügeln abwenden - dem Symbol ihrer Andersartigkeit, dem Symbol ihrer Macht. Kaum zu fassen, dass er ihr von den Dunkelfeen erzählt hatte, als würde er ihr etwas Neues beibringen, dachte er bitter. Wie oft musste sie sich ins Fäustchen gelacht haben, während er ihr sein Herz ausgeschüttet, ihr vertraut hatte. Die ganze Zeit über hatte sie ihn nur ausgenutzt und belogen. Wenn er nur wüsste, weshalb!
Kein Wunder, dass ihr alles so einfach gelungen war. Er hätte doch stutzig werden müssen, als sie durch Barrieren gegangen war und Feuerkugeln geschleudert hatte oder mit Feenstaub umging, als wäre er gewöhnlicher Sand. Doch er war so blind gewesen, getäuscht von ihrer scheinbaren Unschuld, Unwissenheit und Naivität. Wie hatte er nur so dumm sein können! Während er monatelang um sie getrauert hatte, hatte sie bestimmt im Hauptquartier gehockt, Bericht erstattet und weitere Pläne ausgeheckt. Kein Wunder, dass das Grab am See leer gewesen war. Sie hatte ihre Sachen bestimmt geholt, kaum, dass er den Platz verlassen hatte. Und er war ihren Spuren wie ein liebestoller Narr gefolgt. Wie muss sie mit Eliza über ihn gelacht haben. Sie haben sich einen wahrhaft herrlichen Spaß mit ihm erlaubt. Sein Pech, wenn sein Herz dabei auf der Strecke blieb. Die Dunkelfeen haben sich noch nie um die Gefühle der Menschen gekümmert. Warum sollte
er
sich nun um eine von
ihnen
sorgen?
Ihm war kalt. Entschieden riss er seinen Mantel von Dhalias Körper und legte ihn um seine eigenen Schultern. Dann setzte er sich auf die ihr gegenüberliegende Seite des Feuers hin und starrte sie mit leblosem, blindem Blick an. Er weinte nicht. Dazu war er nicht in der Lage. Wenn einem das Herz aus der Brust gerissen und mit Füßen zertrampelt wurde, gab es nicht einmal mehr Tränen.
Teilnahmslos sah er Dhalia sich unruhig hin und her wälzen. Trotz der Nähe zum Feuer sah ihre Haut grau, beinahe bläulich aus, so wie die Haut einer Toten, nicht einmal mit einem Leichenhemd bedeckt. Trotzig wandte Chris den Kopf ab, was sollte ihn das kümmern! Doch ihr Bild, wie sie ihm ihr Gesicht, ihren Hals vertrauensvoll zuwandte, verfolgte ihn. So wie in der einen Nacht, als er schon einmal mit sich selbst gerungen hatte. Wie hatte sie es ihm nach alldem antun können? Wie hatte sie es überhaupt vor ihm geheim halten können? Hatte sie ihn deswegen immer wieder weggestoßen? Hatte sie trotz allem versucht, ihn auf ihre eigene Weise zu schützen? Was für ein Spiel hatte sie nur mit ihm gespielt?
War das überhaupt wichtig? War denn nicht alles, was zählte, dass er sie wiederhatte? Lebendig? Konnte er sie denn einfach sterben lassen, unabhängig davon, wie sehr sie ihn verletzt haben mochte? Ohne seine Hilfe würde sie die Nacht nicht überleben. Wer hat ihr das bloß angetan und wieso? Woher hatte das große schwarze Pferd gewusst, wo er war? Was war es gewesen, dieses Tier mit fast menschlichen Augen, das sie seiner Fürsorge anvertraut hatte?
Noch bevor es Chris selbst bewusst wurde, kniete er wieder vor Dhalia und hielt ihre eisige Hand in der seinen. "Oh, Götter! Es tut mir leid, bitte verzeiht mir, es tut mir so leid", stammelte er, während er Dhalias Hand zwischen den seinen hielt. Hatte er etwa zu lange gezögert? Hatte er ihr Leben in seiner Hand gehalten und es wie einen Spatz davon flattern lassen? "Bitte verlass mich nicht! Es ist alles meine Schuld! Bitte komm zurück, zurück zu mir!" schluchzte er mit zunehmender Panik. Wie hatte er denken können, sein Herz wäre bereits tot? Er würde es nicht ertragen, sie noch einmal zu verlieren, dieses Mal durch seine eigene Schuld. Ihre Hand in der seinen wurde ein wenig wärmer und er bedeckte sie mit dankbaren Küssen. Dann legte er sich neben sie, breitete den Mantel über sie beide aus und kuschelte sich ganz fest an Dhalias eisigen, verletzten Körper. Er würde sie retten. Es spielte keine Rolle, was es ihn im Nachhinein kosten würde. Selbst wenn sie ihn verspotten und sich von ihm abwenden würde, er konnte sie nicht einfach sterben lassen.
Lange Zeit lag er da, hielt sie fest
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