Feenkind
Wir haben ihn heute auf der Landstraße getroffen. Er sagte, hier würde man meiner Freundin helfen können."
"Was ist passiert?"
"Können wir das bitte drin besprechen?" fragte Chris drängend mit einem besorgten Blick auf Dhalia. "Es geht ihr immer schlechter. Wenn Ihr nicht bald etwas tut, brauchen wir dieses Gespräch gar nicht mehr fortzusetzen."
Der Mönch wirkte noch immer unsicher. Doch schließlich gab er sich einen Ruck. "Also gut, kommt herein." Er öffnete eine kleine Pforte. "Euer Pferd müsst Ihr allerdings hier lassen.
"Aber unsere Sachen ..."
"Ein Bruder wird es in den Stall bringen. Jetzt kommt."
Noch immer darüber verwundert, was er da eigentlich tat, ließ Chris sich aus dem Sattel gleiten und nahm Dhalia sanft in seine Arme. Er lächelte leicht, als sie sich unbewusst ganz vertrauensvoll an seine Brust schmiegte.
Der Mönch führte ihn über den Innenhof in das Hauptgebäude.
Verwundert stellte Chris unterwegs fest, dass sowohl Männer als auch Frauen in dem Kloster weilten. Er hätte seinen Führer gern danach gefragt, ebenso nach dem Glauben, dem das Kloster geweiht war, denn nichts, das er bisher entdeckt hatte, passte auf irgendeine ihm bekannte Glaubensrichtung. Doch der kleine Mann eilte sehr geschäftig voran, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach seinem Gast umzublicken oder sich zu vergewissern, ob er ihm tatsächlich folgte. Schließlich öffnete er die Tür zu einer kleinen Kammer, bedeutete Chris einzutreten und ließ ihn dann allein.
Verblüfft blickte der junge Mann sich in dem Raum um und beschloss, dass er es riskieren konnte, Dhalia auf eine niedrige Liege an der Wand zu legen. Dann beugte er sich über sie und sah besorgt nach ihrem Verband. Seit er ihn ihr im Morgengrauen angelegt hatte, hatte er keine Möglichkeit mehr gehabt, ihn zu wechseln. Der ehemals weiße Stoff hatte sich mit ihrem Blut voll gesogen, aber zumindest schien die Blutung endlich aufgehört zu haben. Der Verband fing allmählich zu trocknen an.
Chris schreckte hoch, als die Tür wieder geöffnet wurde und ein großer schlanker Mann in einer langen dunklen Kutte hereinkam. Er hatte sehr kurze graue Haare, eine Adlernase und freundliche Augen. Er strahlte eine derart natürliche Autorität und Würde aus, dass Chris sich sofort zuversichtlicher fühlte. Dieser Mann würde ihnen seine Hilfe nicht verweigern.
Hinter dem Mann betraten zwei Frauen das Zimmer, die eine Schüssel mit dampfendem Wasser, Handtücher und Verbandszeug brachten.
"Ich bin Sorin, der Prior dieser Gemeinschaft", stellte sich der Mann mit einer ruhigen, angenehm klingenden Stimme vor.
Chris neigte höflich den Kopf. Er wollte seinen Namen nicht preisgeben. "Ich danke Euch für die freundliche Aufnahme", sagte er daher bloß.
"Wir werden sehen, was wir tun können. Kommt, geht mit mir ein Stück. Dann könnt Ihr mir erzählen, was passiert ist."
Chris warf einen schnellen Blick auf Dhalia, die noch immer regungslos auf der Pritsche lag und schüttelte entschieden den Kopf. Er würde sie nicht verlassen.
Der Prior verstand seinen Unwillen richtig zu deuten und lächelte nachsichtig. "Ist diese Frau Eure Gemahlin?" fragte er plötzlich.
Verblüfft schüttelte Chris den Kopf.
"Nun, dann bitte ich Euch, mit mir vor der Tür zu warten, bis die Frauen sie gewaschen und verbunden haben", sagte er mit einer Spur von Strenge in der Stimme.
Als er merkte, wie Chris sich rasch im Zimmer umsah, fügte er belustigt hinzu: "Ich versichere Euch, der Raum hat keine weiteren Ausgänge, und wenn es Euch beruhigt, können wir direkt vor der Tür warten."
Der junge Mann nickte. Er kam sich ein wenig albern vor. Immerhin hatte er die Menschen im Kloster um Hilfe gebeten, sie hatten ihn nicht dazu gezwungen. "Bitte verzeiht mir mein Misstrauen", setzte er an, als sie in den Flur traten, doch der Prior hob beschwichtigend die Hände.
"Wenn Menschen, die uns nahe stehen, in Gefahr sind, ist es nur natürlich, sie nicht allein lassen zu wollen. Bitte, erzählt mir, was passiert ist."
"Ein wildes Tier hat sie angefallen", improvisierte Chris schnell.
Der Prior schwieg, als erwartete er weitere Informationen.
"Welcher Religion gehört Euer Kloster an?" fragte Chris neugierig, um das Thema zu wechseln.
"Wir pflegen unsere Religion nicht mit Außenstehenden zu diskutieren", antwortete Sorin abweisend. Sein Tonfall sagte ganz deutlich: Ihr habt Eure Geheimnisse, wir haben unsere.
"Natürlich", nickte Chris. Es entstand ein betretenes Schweigen.
Plötzlich öffnete sich
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