Feenkind
seine Wirkung einsetzt", berichtete Chris nach kurzer Zwischenfrage.
"Trank gleich fertig", fügte Tukrol eifrig hinzu.
Dieses Mal ließ sich Dhalias Gähnen nicht unterdrücken. "Gut, dann sag ihm doch, er soll uns einfach wecken, wenn er fertig ist." Irgendwie hatte sie gehofft, dass er von seinem Vorhaben ablassen würde, doch sie hatte sich getäuscht. Kaum war sie eingeschlafen, als Tukrols Hand sie auch schon an der Schulter berührte und ihr ehrerbietig eine Tasse mit dampfender Flüssigkeit reichte. Pflichtschuldig tat sie einen Schluck von dem heißen, leicht bitteren Trank und wollte die Tasse zur Seite stellen. Doch der Führer machte eine auffordernde Geste und sah sie erwartungsvoll an. "Trinken", setzte er nickend hinzu. Gehorsam machte sie noch einige Schlucke, bis Tukrol schließlich zufrieden war und sich Chris zuwandte.
Trotz dieser Unterbrechung spürte Dhalia, wie sich angenehme Schwere in ihren Muskeln und ihren Augenlidern ausbreitete, und sobald sie sich wieder hingelegt hatte, war sie auch schon eingeschlafen.
Sie wachte auf, weil etwas in ihren Handrücken piekste. Unwillkürlich machte sie eine scheuchende Handbewegung und als sie die Augen öffnete, sah sie einen Spatz davonfliegen. Irritiert blickte Dhalia sich um. Im ersten Moment konnte sie sich überhaupt keinen Reim darauf machen, wo sie war. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, ihr Magen knurrte hungrig und das Feuer war längst ausgegangen. Zu ihrer Linken schnarchte Chris friedlich vor sich hin und von Tukrol war keine Spur zu sehen. Allmählich kam Dhalia die Erinnerung an Tukrols merkwürdiges Verhalten und den gebrauten Trank zurück. Sie griff neben sich und hielt sich ihre Tasse, in der noch Reste des Gebräus geblieben waren, prüfend unter die Nase. Nun, da der Tee abgestanden und nicht mehr heiß und ihre Sinne nicht schläfrig waren, konnte sie deutlich das leichte Aroma eines Schlafkrauts riechen. Daher war er also so begierig gewesen, dass sie den Tee sofort tranken.
Nun, zumindest hat er uns nicht vergiftet, stellte Dhalia philosophisch fest. Und soweit sie es auf den ersten Blick beurteilen konnte, waren alle ihre Taschen auch noch immer da.
Das Boot! schoss es ihr plötzlich siedendheiß durch den Kopf. Er hat doch nicht etwa das Boot mitgenommen? Sofort sprang sie auf und rannte zum Uferrand. Das Boot war noch da, doch es trieb mit dem Boden nach oben auf dem Wasser, von dem Anker glücklicherweise an Ort und Stelle festgehalten. Sie hatten Glück, dass es nicht untergegangen war. Erleichtert sah Dhalia auch Bruno ein wenig flussabwärts im Wasser stehen und die seltenen Grashalme zwischen den Steinen herauszupfen.
Offensichtlich war er beim Sonnenaufgang aufgewacht und hatte sich auf dem kleinen schwankenden Boot wieder gefunden. Was er davon gehalten hatte, konnte sie nun daran sehen, dass das Boot falsch herum im Wasser trieb. Seufzend zog Dhalia ihre Schuhe und Strümpfe aus und kletterte vorsichtig ins Wasser. Es war so eisig, dass es ihr den Atem verschlug. Behutsam setzte sie einen Fuß vor den anderen, als sie sich über die glitschigen Steine ihren Weg suchte. Obwohl sie ganz nah am Ufer blieb und sich sogar mit der Hand daran abstützte, reichte ihr das Wasser fast bis zur Hüfte und sie konnte den Sog der Strömung deutlich spüren.
Als der Hengst sie bemerkte, ließ er ein grüßendes Schnauben hören und machte einen Schritt auf sie zu. Dann blieb er jedoch stehen und neigte den Kopf. Wieder gab er ein Schnauben von sich, doch dieses Mal ein unwilliges. Anscheinend hatten sich seine Zügel verfangen, so dass er nicht weiter gehen konnte.
Als sie ihn endlich erreichte, hatte Dhalia kein Gefühl mehr in ihren Zehen. Hastig zog und zerrte sie an den Zügeln, um sie freizubekommen. Dabei tänzelte Bruno so ungeduldig auf der Stelle, dass er sie mehrmals beinahe umgestoßen hätte. Einmal musste sie sich an seinem Hals festhalten, um nicht kopfüber in das kalte Wasser zu fallen.
Sobald sie ihn befreit hatte, wickelte sie sich die Zügel mehrmals um die Hand, um sie ja nicht zu verlieren, und machte sich auf den Rückweg. Hinter sich hörte sie, wie Brunos Hufe über die algenbewachsenen Steine kratzten und rutschten, und auch sie selbst konnte nur mit größter Mühe ihr Gleichgewicht wahren. Dann erreichte sie endlich die etwas flachere Stelle am Ufer, an der sie am Vorabend an Land gegangen waren, und stieg aus dem Wasser. Dhalia band Bruno an einem kleinen Felsvorsprung an und kletterte selbst hinauf.
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