Feenkind
in die Büsche werfen, hielt sich jedoch im letzten Augenblick zurück. Es wäre dumm, seine Anwesenheit jetzt zu verraten. Müde lehnte Chris seinen Kopf gegen den Baum und konzentrierte sich darauf, seine Augen nicht zufallen zu lassen.
Irgendwann, er wusste nicht, wie viel Zeit genau vergangen war, entschied der junge Mann schließlich, dass er lange genug gewartet hatte. Vorsichtig begann er, sich an den Lagerplatz des Mädchens heran zu schleichen.
Sie hatte ihr Lager unter einer großen Eiche aufgeschlagen. Sie selbst lag zwischen dem Baum, an dem sie ihr Pferd angebunden hatte, und dem Feuer, das, wie er selbst wusste, weit zu sehen war. Es war unglaublich, wie sorglos und unerfahren die Kleine war. Ihr Feuer würde jeden im Umkreis von einer Meile zu ihr locken. Und sie lag einfach da, wie auf einem Präsentierteller - schutzlos, ausgeliefert, mit dem Rücken zu den Gefahren des Waldes. Eigentlich hatte sie es gar nicht anders verdient. Sie lag auf der Seite und eine Hand ruhte nachlässig auf ihrem Rucksack. Es würde nicht schwierig werden, ihn ihr zu entwenden. So tief wie sie schlief, würde sie vermutlich nicht einmal aufwachen. Anscheinend hatte die Müdigkeit sie doch noch übermannt.
Und selbst wenn sie aufwacht, dachte Chris, während er näher zu ihr herankroch, würde sie wohl keinen ernst zu nehmenden Widerstand leisten. Er war gut in Form und hatte schon viele gefährlichere Gegner als ein junges Mädchen kampfunfähig gemacht.
Vorsichtig umrundete er das Feuer. Als er näher kam, schnaubte ihr Hengst leise auf.
Sie regte sich kurz, wachte jedoch nicht auf.
Chris schlich sich noch näher heran und streckte die Hand nach ihrem Rucksack aus. Doch dann zögerte er plötzlich. Anstatt ihre Beute zu nehmen und zu verschwinden, verspürte er den dringenden Wunsch, ihr Gesicht zu sehen, das ihm abgewendet war. Vorsichtig beugte er sich über das Mädchen und betrachtete die vom Schlaf entspannten, fast kindlich wirkenden Züge, die von kurzen, leicht zerzausten blonden Locken eingerahmt waren. Sie war sehr jung, zartgliedrig und wunderschön.
Sie lebt gefährlich, schoss es ihm durch den Kopf, als er spürte, wie sein Mund bei ihrem Anblick ganz trocken wurde. Ist ganz allein unterwegs, während ihr Anblick selbst einen halbwegs anständigen Mann auf dumme Gedanken bringen konnte. Vielleicht sollte ich ihr meinen Schutz anbieten, überlegte er. Doch vorher musste er einfach wissen, was sie in der Höhle erbeutet hatte.
Widerstrebend riss er seinen Blick von ihren rosigen, im Schlaf leicht geöffneten Lippen los. Er konnte nicht fassen, wie ungeschützt und verletzlich sie vor ihm lag. Als hätte sie noch das kindliche Vertrauen in die Welt, dass ihr nichts Böses passieren konnte.
Für einen kurzen Augenblick regte sich Chris' Gewissen, doch seine Habgier gewann rasch die Oberhand. Bevor er es sich anders überlegen konnte, schnappte er sich ihren Rucksack.
Kaum hatte seine Hand sich darum geschlossen, als auch schon etwas Spitzes sich unangenehm durch sein Wams bohrte.
"Das würde ich an Eurer Stelle lieber lassen!" zischte eine gar nicht schlaftrunkene Stimme in sein Ohr. Ohne dass er es gemerkt hatte, hatte sich das Mädchen mit einer schnellen, fließenden Bewegung auf seinem Lager halb aufgerichtet.
Verdutzt sah er ihr ins Gesicht, wo ihn statt der verschlafenen, erschrockenen Augen, die er erwartet hatte, ein kalter, leuchtend grüner Blick traf. Er sah weiter an sich hinab und bemerkte zu seinem Leidwesen einen scharfen Dolch, der direkt auf sein Herz zielte. Also doch nicht völlig schutzlos, stellte er selbstironisch fest. Chris holte tief Luft und spürte, wie die scharfe Spitze des Dolches bei dieser Bewegung seine Haut ritzte. Sie musste es auch gespürt haben, denn sie zog die Klinge ein wenig zurück, ohne jedoch ihren Griff zu lockern.
"Ich dachte schon, Ihr wärt eingeschlafen, und wollte Euch bald selbst holen gehen. Was hat Euch denn so lange aufgehalten?" Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.
Chris fühlte sich wie ein Idiot. Die ganze Zeit über hatte er sich eingebildet, die Lage völlig unter Kontrolle zu haben, und war dabei blindlings in ihre Falle getappt. Was für eine Frau! fuhr es ihm trotz seiner misslichen Lage bewundernd durch den Kopf.
"Warum seid Ihr mir gefolgt?" fragte sie scharf.
"Ich war neugierig."
"Neugierig?" Sie klang überrascht.
"Ich habe gesehen, wie Ihr aus der Höhle gekommen seid. Es war äußerst gefährlich gewesen, da allein hineinzugehen."
"Und aus purer
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