Feenkind
Sorge um mein Wohlergehen seid Ihr mir dann gefolgt, wie?" Sie schoss Chris einen abschätzenden Blick zu und begann, mit ihrer freien Hand etwas in ihrem Rucksack zu suchen, während sie mit der anderen den Dolch noch immer an seine Brust gepresst hielt.
"Genau", stimmte Chris ihr möglichst unbekümmert zu. "Es ist nicht gut für eine junge Frau, alleine unterwegs zu sein."
"Anscheinend hattet Ihr auch Angst, dass ich mein Gepäck nicht allein tragen könnte, und wolltet es für mich erleichtern."
"Lasst doch bitte den Sarkasmus, er steht Euch nicht."
Endlich schien sie in ihrem Rucksack fündig geworden zu sein und zog ein zusammengerolltes Seil heraus.
Chris nutzte ihre kurze Unaufmerksamkeit und sprang zurück, außerhalb der Reichweite ihres gefährlich scharfen Dolches.
Sofort richtete auch sie sich auf und fixierte ihn kampfbereit.
"Kommt schon, ich gebe zu, wir hatten einen schlechten Start. Lasst uns doch einfach von vorne anfangen, was meint Ihr?" Er schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln. Doch sie zeigte sich davon unbeeindruckt. "Steckt doch einfach mal Euren Zahnstocher da weg", versuchte er es noch einmal. "Es besteht doch kein Grund, uns gegenseitig weh zu tun."
"Ich hoffe, Ihr verzeiht mir, wenn ich da anderer Ansicht bin. Ich möchte unsere so viel versprechende Bekanntschaft nicht durch Missverständnisse gefährden!" Um ihre Worte zu betonen, umfasste sie den Griff ihres Dolches noch fester mit der rechten Hand.
Auch wenn es nichts zur Sache tat, fand Chris, dass sie wie eine Amazone wirkte. Der Zorn verlieh ihrem schönen Gesicht noch einen besonderen Reiz. Ihre Augen funkelten gefährlich.
"Wie Ihr wollt. Ich habe Euch gewarnt!" murmelte er und machte einen seiner beliebten Ausfälle, mit denen er bisher jeden Gegner hatte entwaffnen können.
Irgendetwas musste dieses Mal schiefgelaufen sein. Auch wenn er keine Ahnung hatte, was. Doch das nächste, das Chris wahr nahm, als wieder Luft in seine Lunge strömte, war, dass er mit dem Gesicht im Staub lag, während ihr kleiner Fuß auf seinen Rücken drückte und ihn daran hinderte, sich zu erheben.
"Wow!" entfuhr es ihm.
"Wow?" Sie schien belustigt und überrascht zugleich. "Ich habe Euch zum zweiten Mal kampfunfähig gemacht und alles, was Euch dazu einfällt, ist ‚Wow'?"
"Hmpf!" schnaubte Chris unverständlich und ärgerte sich darüber, dass er rot wurde.
"Und jetzt keine falsche Bewegung!" befahl sie mit ruhiger, kalter Stimme, als sie ihren Fuß von seinem Rücken nahm.
"Würde mir nicht im Traum einfallen." Langsam drehte Chris sich um und beobachtete interessiert ihr Mienenspiel. Sie schien nicht recht zu wissen, ob sie verärgert oder belustigt sein sollte. Irritiert griff sie nach dem Seil, das neben ihm auf den Boden gefallen war, und begann, ihm fachmännisch die Hände auf dem Rücken festzubinden.
"Muss das denn wirklich sein?" beschwerte er sich. "Eigentlich stehe ich nicht so auf Fesselspielchen. Ich bevorzuge eher die sanfte Art." Chris grinste und ließ seine Augenbrauen zweimal in die Höhe schnellen. Im nächsten Moment schnappte er empört nach Luft, als sie ihm ihr Knie zwischen die Schulterblätter presste und fester, als es nötig gewesen wäre, an den Fesseln zog.
"Aua!" Er klang gekränkt. "Na gut, wenn Ihr es so sehr möchtet, könnte ich für Euch mal eine Ausnahme machen."
Er riskierte einen Blick und war erfreut, dass dieses Mal sie es war, die errötete.
"Seid jetzt still!" fuhr sie ihn an. "Sonst sehe ich mich gezwungen, Euch auch noch zu knebeln."
"Ich habe Euch doch gar nichts getan!" protestierte Chris.
"Das lag aber nicht an einem Mangel an Versuchen", sagte sie beiläufig, während sie zu ihrem improvisierten Bett zurückkehrte.
"Was werft Ihr mir denn eigentlich vor? Jeder Angeklagte hat das Recht, sich zu verteidigen."
"Ihr seid aber nicht vor Gericht, Ihr wolltet mich überfallen. Ich habe Euch ertappt. Eigentlich hätte ich jedes Recht, Euch an Ort und Stelle die Kehle durchzuschneiden."
Chris schluckte. So hatte er es noch gar nicht gesehen.
"Überfallen ist ein hartes Wort! Ich wollte lediglich in Eurer Tasche nachsehen, ob Ihr etwas habt, was einen besonderen Wert für mich besitzt."
"Um es an Euch zu nehmen. Das nennt man Raub", erläuterte sie ruhig. "Und das mit viel weniger Worten, als Ihr benutzt habt. Redet Ihr eigentlich immer so viel?"
Chris schien nachzudenken. "Ja, doch, ich denke schon", sagte er schließlich.
"Und ich denke, ich sollte Euch wirklich knebeln! Vor Euch hat man ja nie seine
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