Feenkind
konnte. Nun, dann würde sie eben dafür sorgen müssen, es ihm begreiflich zu machen.
Schweigend legte sie die wenigen Schritte zurück, die sie von dem ängstlich wartenden Wächter trennten. Ihr Zorn strahlte in fast körperlich fühlbaren Wellen von ihr ab, so dass Traian unbewusst ein wenig zur Seite ging, als hätte er Angst davor, einen Teil ihrer Wut abzukriegen, wenn er in Gheorghes Nähe blieb.
Sie trat ganz nah an den Wächter heran, bis er direkt zu ihren Füßen saß und zu ihr hochblickte.
"Du hast einen von den unverzeihlichen Fehlern begangen, über die wir gesprochen haben, als du in meinen Dienst getreten bist", sagte Eliza mit unnatürlich ruhiger Stimme.
Gheorghe erbleichte.
"Aha, wie ich sehe, erinnerst du dich", stellte sie zufrieden fest. "Dann weißt du sicherlich auch noch, wie die Strafe dafür lautet."
Die Augen des großen Mannes weiteten sich panisch und schossen zu allen Seiten, als würde er nach einem Fluchtweg suchen. Doch er wusste, dass es für ihn kein Entkommen geben konnte. Seine Schultern sackten zusammen.
"Du weißt es also noch, gut." Eliza machte eine Pause. Gheorghe zog seinen Kopf ein, getrieben von dem verzweifelten Wunsch, sich irgendwie zu schützen. Daher hörte er fast gar nicht, was seine Herrin als nächstes sagte. Er merkte erst auf, als Traian die Luft, die er vor Anspannung angehalten hatte, erleichtert ausstieß.
"Ich werde deine Strafe aussetzen", entschied Eliza.
Hoffnungsvoll sah Gheorghe zu ihr hoch.
"Nur damit wir uns richtig verstehen", ihre Stimme hatte einen schneidenden Klang. "Dein Leben gehört mir. Denn von heute an lebst du nur noch von meiner Gnade. Solltest du auch nur mit einem Finger zucken, ohne dass ich es dir erlaube, ist dein Leben verwirkt. Ist das klar?"
"Ja, Herrin", stammelte Gheorghe, der sein Glück kaum fassen konnte, heiser und nickte eifrig mit dem Kopf.
"Gut, dann packt die Sachen zusammen, wir müssen weiter."
"Ja, Herrin", kam die Antwort im Chor aus zwei Kehlen. Eliza wandte sich ab, damit sie ihr befriedigtes Lächeln nicht sahen, als ihr auffiel, dass trotz des fortgeschrittenen Abends keine Fragen und keine Proteste kamen.
Trotz der schnell hereinbrechenden Dunkelheit kamen sie gut voran. Die Dunkelfee hatte eine Lichtsphäre um sich und ihr Pferd herum erschaffen, die sie in sanftes, schimmerndes Licht tauchte und auch den Weg für ihre Wächter erhellte.
Von Zeit zu Zeit holte Eliza den Kompass heraus. Er zeigte unverändert nach Annubia. Wahrscheinlich hatte das Mädchen Rast gemacht. Wenn sie nichts von ihren Verfolgern ahnte, war es wahrscheinlich, dass sie sich nicht sonderlich beeilte. Vielleicht gelang es dem Einsatztrupp sogar, sie noch vor Annubia einzuholen.
Eine Zeitlang ritt Eliza schweigend in ihre Gedanken vertieft. Und auch Gheorghe und Traian verzichteten auf ihre üblichen Späße und Sticheleien. Ob dies aus Müdigkeit oder Angst vor ihr geschah, vermochte die Dunkelfee nicht zu sagen.
Sie würde beim Sonnenaufgang einen Stärkungszauber für die Männer und Tiere sprechen müssen. Zu dieser Tageszeit waren diese Zauber am wirkungsvollsten. Es verstieß zwar gegen die offizielle Lehre, doch Eliza hatte das Gefühl, dass ihre Kräfte mit der Natur wirkten. Bestimmte Dinge gelangen einfach besser oder zehrten weniger an ihrer Kraft, wenn sie zu einer bestimmten Tages- oder Jahreszeit ausgeführt wurden. Und der Stärkungszauber gelang praktisch von selbst bei Sonnenaufgang, wenn die ersten rötlichen Strahlen zögernd die kalte Erde berührten.
Ein schnaubendes Geräusch riss sie plötzlich aus ihren Gedanken. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Traian gerade noch rechtzeitig nach den Zügeln griff, um sein Pferd am Ausbrechen zu hindern. Wahrscheinlich hatte irgendein Tier es erschreckt. Es hätte schlecht für den jungen Wächter ausgehen können, der sich vor Müdigkeit kaum noch im Sattel halten konnte. Er war immerhin nur ein Mensch und der lange Ritt zehrte an seinen Kräften.
Eliza wandte sich wieder nach vorn und warf beinahe reflexartig einen Blick auf den Kompass, den sie an ihrem Sattelknauf befestigt hatte.
Sie stockte, griff nach dem kleinen Gegenstand und schüttelte ihn kräftig. Dann hielt sie ihn sich dicht vor die Augen. Es konnte keinen Zweifel geben, die kleine Nadel drehte sich wild um den Mittelpunkt. Sie hatte ihre Ausrichtung verloren. Mit einem wütenden Aufschrei erhob sich Eliza in den Steigbügeln und warf den nun nutzlosen Gegenstand mit aller Kraft ins Gebüsch. Gleichzeitig
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