Feenkind
mehr, als dass er sie sah. Denn als er seinen Kopf mühsam hob, war sein Blick auf Dhalia gerichtet.
Sie hatte gehört, wie er gestürzt war, hatte gemerkt, dass er nicht länger hinter ihr war, und ritt nun in vollem Tempo zurück auf ihn zu.
"Chris!" schrie sie verzweifelt.
"Bleib weg, komm nicht näher, bring dich in Sicherheit!" schrie er zurück, während die Viszerer mit ihren Armbrüsten ihm bedeuteten, langsam aufzustehen.
"Ich lasse dich nicht allein, Chris!" Hastig legte sie einen Pfeil auf ihren Bogen.
Doch er sah nicht mehr, ob er sein Ziel erreichte. Während er unsanft auf die Beine gezogen wurde, wurde ihm ganz schwarz vor Augen.
"Nein!" hörte er noch Dhalia schreien.
Endlich hat sie mich Chris genannt, war sein letzter Gedanke, bevor ihn gnädige Bewusstlosigkeit umschloss.
Fassungslos sah Dhalia zu, wie der Pfeil, den sie auf einen der Viszerer abgeschossen hatte, etwa einen Schritt vor ihm harmlos zu Boden fiel, als wäre er in eine solide Wand geprallt. Sofort legte sie den nächsten Pfeil an und schoss ihn mit all ihrer Kraft. Doch auch der fiel wirkungslos zu Boden. Sie schrie und schrie Christophers Namen, ohne sich dessen auch nur bewusst zu sein. Die Viszerer hatten ihn umkreist und zogen ihn auf die Beine, dann brach er bewusstlos zusammen.
Sofort richtete sich die Aufmerksamkeit der grotesken Wesen auf sie und sie erkannte, dass nun auch sie in Gefahr war, von ihnen gefasst zu werden. Aber irgendwie hatte sie nicht die Kraft wegzulaufen. Wozu denn? Es würde ohnehin nicht viel bringen.
Die Viszerer fixierten sie mit ihren blutunterlaufenen, furchtbaren Augen - auch sie schienen erschöpft zu sein. Sie erhoben nicht einmal ihre Armbrüste, um auf Dhalia zu zielen.
Die junge Frau, die sich bereits nach Deckung umgesehen hatte, hielt plötzlich inne. Ihre Verfolger starrten sie zwar so wütend an, als würden sie sie am liebsten in Stücke reißen, doch sie kamen nicht näher.
Zögernd ließ Dhalia ihren Hengst einige Schritte vorwärts gehen, bereit, ihn jederzeit zu wenden, falls ihr Gefahr drohen sollte. Sie war nun so nahe, dass sie sehen konnte, wie Christophers Rücken sich mit seinen Atemzügen leicht hob und senkte. Er war also noch am Leben.
Unsicher musterte sie ihre Verfolger, die sich in einer eigenartigen klackernden Sprache zu beraten schienen.
Etwas knackte unter Brunos Huf, als er ihn auf den Boden setzte. Wie auf Kommando wandten alle Viszerer sofort den Kopf zur Quelle des Geräusches und verharrten kurz, um zu lauschen. Dann setzten sie ihre klackernde Unterhaltung fort.
Neugierig holte Dhalia eine Walnuss aus der Tasche ihres Wamses hervor. Sie hatte am Tag zuvor einen Baum gefunden, doch die Nüsse waren noch nicht reif genug zum Essen. Sie hatte dennoch eine Handvoll davon mitgenommen. Jetzt warf sie eine Nuss nach vorne in die Luft. Wie sie erwartet hatte, prallte diese gegen eine unsichtbare Wand und fiel zu Boden. Die Viszerer unterbrachen ihre Besprechung und sahen interessiert Dhalias Bewegungen zu. Der lauernde Ausdruck auf ihren Gesichtern veranlasste die junge Frau, ein paar Schritte mehr zwischen sich und die merkwürdige Gruppe zu bringen. Es waren mittlerweile sechs Viszerer, doch es war nicht auszuschließen, dass sich noch weitere verborgen hielten.
Anscheinend existierte ein Hindernis, das sie vorerst in Sicherheit vor ihren Verfolgern brachte. Entweder war es erst errichtet worden, nachdem sie die Schwelle überschritten hatte, oder sie war immun dagegen. Falls die zweite Vermutung zutraf, wollte Dhalia nicht riskieren, die Barriere zufällig zu überschreiten und sich selbst in die Hände der Viszerer zu begeben. Wenn allerdings ersteres der Fall war, war sie vorerst in Sicherheit, zumindest so lange, wie ihre Verfolger keinen Weg gefunden hatten, die Barriere zu überwinden.
Die Wesen schienen zum selben Schluss gekommen zu sein, denn zwei von ihnen hievten Christopher auf sein Pferd, während ein drittes die Zügel fest in sein Maul nahm.
Christopher stöhnte leise auf, kam aber nicht zu sich, als ihm diese unsanfte Behandlung widerfuhr.
Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung. Die übrigen Viszerer, bis auf einen, folgten im Abstand von einigen Schritten. Der eine, der zurückgeblieben war, streckte sich auf der Erde aus und fixierte Dhalia unverwandt mit den Augen.
"Habt ihr beschlossen, dass du als Wache für mich ausreichst, wie?" fragte sie halblaut. Sie hatte keine Ahnung, ob er sie verstehen konnte, doch sie hatte ohnehin nicht vor gehabt, sich
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