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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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reiften.
Ihr Vorgehen war äußerst raffiniert. Sie entnahmen ihren
eigenen Eizellen die Kerne und implantierten sie in künstliche
Spermatozyten. Mit welcher Schadenfreude sie zusahen, wie die Frauen
schwanger wurden, wie ihre Bäuche anschwollen, befruchtet vom
liederlichen Wind, und so fort, und so fort. Das war vor vier Jahren,
als wir das Königreich gründeten. Und dann sammelten sie
ihre Halbgeschwister ein.«
    »Sie brachten sie um.«
    »Meine Kinder wurden dazu angehalten, ihr Überleben zu
sichern. Sie dachten, dies sei der richtige Weg. Sie entnahmen ihren
Töchtern die Eierstöcke, und vielleicht hätten sie mit
der Zeit ein seltsames, schreckliches Heer gegen mich gesammelt. Ein
Teil ihrer Strafe ist, daß ich keine Fragen stellen und mir
keine Erklärungen anhören werde. Weißt du nun alles?
Das ist gut. Ich bin müde. Ich bin es müde, Fragen zu
beantworten.«
    Morag hat das Gefühl, daß die Frau immer kleiner wird
– als sie die letzten Worte spricht, reichen sie und ihr Gefolge
Morag nur noch bis an die Knie. Dann erkennt sie, daß die Feen
nicht schrumpfen, sondern davonfliegen. Sie fliegen so schnell,
daß ihre Gewänder wie Fahnen im Wind flattern. Nur der
graue König rührt sich nicht. Morag geht in die Knie, legt
sich flach auf den Bauch, um sie in unermeßlichen Fernen
verschwinden zu sehen, und dann ist sie wach.
    Sie liegt auf einem kalten, kahlen Hügel, auf einer kleinen
Insel aus hartem Gras, und ringsum ist der Boden zertrampelt. Der
Baum, der sein Astgeflecht in das schmutziggraue Licht reckt, ist ein
ganz normaler Baum. Zwischen seinen Wurzeln, in eine einfache
orangefarbene Wohlfahrtsdecke gehüllt, liegt der kleine Junge,
tief und fest in Schlaf versunken: Gerettet.

 
18    Gerettet
     
     
    Ein halbes Jahr später erhält Morag eine Postkarte von
Alex. Sie lebt wieder in Edinburgh bei ihren Eltern, in dem
vertrauten Morningside-Haus, der vertrauten stillen, baumbeschatteten
Straße. Der kleine Medien-Aufruhr hat sich längst gelegt
– die Story von dem verirrten kleinen Jungen versank in der Flut
von Spekulationen über das Ende des Magic Kingdom und den
Zusammenbruch des Interface.
    Sobald Morag ein wenig Zeit fand, formulierte sie eine Nachricht
für Alex und hinterließ sie im Web. Falls er sie nicht
selbst fand, würde sie vielleicht einer aus dem
Verschwörungstheorie-Zirkel an ihn weiterleiten. Die Botschaft
enthielt nicht viel mehr als die Botschaft, die ihr die Frau
aufgetragen hatte, und Morag erwartete keine Antwort.
    Mittlerweile unterzog sie sich einer intensiven Fembot-Therapie,
um das Ding loszuwerden, das sich in ihre Zungenmuskeln eingenistet
hatte und seine Pseudo-Neuronen in ihr limbisches System ausdehnte.
Die Ärzte wollten es testen, ehe sie es entfernten, aber sie
bestand darauf, es sofort loszuwerden. Immerhin war der kleine Junge
von dem gleichen Fembot befallen, und seinem Vater, der bereits mit
mehreren Fernsehsendern um einen Exklusivvertrag für die Story
feilschte, machte es sicher Spaß, auch noch die
Forschungsrechte meistbietend zu verschachern.
    Das ist es, was am meisten schmerzt, wenn Morag sich ihren
Gedanken stellt – obwohl sie kaum etwas anderes erwarten konnte.
In gewisser Weise ist der Vater des kleinen Jungen im Recht. Niemand
hat von ihr verlangt, daß sie seinen Sohn rettet. Also kann sie
auch keinen Dank erwarten.
    Es war erstaunlich einfach, wieder in das Hilfsprojekt
einzusteigen. Ihr linker Arm schmerzt noch von einer Injektion mit
einer Auswahl von Anti-Fembots, die speziell die T4-Helferzellen
ihres Immunsystems so modifizieren sollen, daß sie ein breites
Spektrum ansteckender Viren und Bakterien erkennen. Auch die
Einweisung hat sie bereits hinter sich. In einer Woche wird sie in
Dschibuti sein, wo zwischen den beiden rivalisierenden Volksgruppen
der Afars und Issas wieder einmal ein Bürgerkrieg tobt. Eine
Million Menschen mußten bislang die Hauptstadt verlassen und
befinden sich auf der Flucht.
    Als Morag von Tiso’s zurückkommt, wo sie
strapazierfähige Buschstiefel, ein Dutzend T-Shirts und einen
Hut mit Moskitoschleier erstanden hat, erfährt sie von ihrer
Mutter, daß eine Postkarte für sie da ist.
    »Jemand hat sie an der Tür abgegeben. Eines dieser
jungen Mädchen mit den komischen Haar-Transplantaten.«
    Es ist ein Foto von einer weitläufigen Festung –
weiße Mauern, die von grauen Kalkstein-Klippen aufragen, und im
Hintergrund schneebedeckte Berge. Auf der Rückseite steht in der
engen, aber gut

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