Feenland
Kapital mit der Entwicklung einer
stärkeren Variante namens HyperGhost mehr als in den
Keller gefahren hat. Und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt will die
Regierung alle psychoaktiven Viren verbieten. Weshalb er sich auf
diese bescheuerte Genhackerei für Billy Rock einläßt,
anstatt die wahre Kunst voranzutreiben.
Alex sichert seine Notizen zur Hormon-Synthese und befiehlt seinem
Dämon, ein Minitaxi zu bestellen. Der Fahrer ist ein Bengale,
den Alex flüchtig kennt. Er hat das Innere seines Taxis in rotem
Plüsch mit Goldkanten ausstaffiert. Kleine Amulette baumeln von
Perlenketten am Armaturenbrett. Ein Hologramm von Shiva, dem
Zerstörer, befindet sich dicht neben dem laminierten
Ausweis-Foto des Fahrers, und am oberen Rand der Windschutzscheibe
prangt der Slogan God gives me Speed. Der Zauberer hätte
Gott für sein Geld ganz schön herumgehetzt, denkt Alex, als
er den frommen Spruch liest.
Postkarten mit Heiligenbildern sind auf die trübe
Plastik-Trennwand zwischen Fahrgast und Fahrer geklebt. Der Fahrer
hat das kleine Schiebefenster in der Wand geöffnet, damit er
sich mit Alex unterhalten kann. Im Taxi ist es so heiß wie in
einem Brutofen, und ein auf der Fahrerseite in den Ventilatorschlitz
geklemmtes Räucherstäbchen verbreitet ein schweres,
süßes Aroma, das Alex an seine Kindheit erinnert. Als
junge alleinerziehende Mutter – sie war damals etwa so alt, wie
er heute ist – fuhr Lexis voll auf diesen postpsychedelischen
Shit des New Age ab. Er könnte im Feenland sein, denkt Alex.
Der Fahrer berichtet Alex von der jüngsten Schießerei
aus einem fahrenden Auto, die sich in der Whitechapel Road ereignet
hatte. »Eine ganze Horde von Skinheads. Preschten in einem alten
Cosworth Sierra an diesem Jugendtreff vorbei, wo jeden Abend die
zugekifften Typen rumhängen. Sie kennen das
Café?«
»Das Gunga Din?« Alex weiß, daß Billy
Rocks Familie die Hälfte aller bengalischen Junkies mit Stoff
versorgt. »Ich war selbst noch nie drin, aber der Besitzer hat
offenbar einen gewissen Sinn für Humor.«
»Kein anständiger Mensch geht da rein«, sagt der
Fahrer des Minitaxis. »Diese Jugend mit ihren Gangs ist verroht
und schlecht. Wir verstoßen sie, wir verstoßen sie
alle.«
»Ich weiß zwar nicht, ob ich ein anständiger
Mensch bin, aber ich würde trotzdem nicht da reingehen. Es gibt
Nächte, da könnte man ewig so dahinfahren, finden Sie nicht
auch?«
Alex fühlt sich hellwach, aufgeputscht von der Tablette
Whizz, die er sich eingeworfen hat, gutes altmodisches
Methamphetamin-Sulfat, die Sorte, die schon seine Mutter herstellte.
Und die der Zauberer jetzt in seiner Zelle produziert, um seine
Knastgefährten anzutörnen, ihnen den grauen Alltag zu
erhellen. Alex erinnert sich an den suchenden Blick des Zauberers, an
die eisblauen Augen hinter den dicken Linsen seiner Brille, an seinen
Verstand, überlegen, kalt und mitleidlos.
Alex hat manchmal Gewissensbisse, daß es den Zauberer
erwischt hat, während er frei herumläuft – aber der
Zauberer sagte immer, er fühle sich frei, egal, wo er sich
gerade befinde, frei in seinen Gedanken. Nach seiner Verhaftung hatte
er den Polizei-Experten seine Synthesen erklärt – er hatte
ihnen sogar die richtigen Masken gegeben, als sie kamen, um ihn
auffliegen zu lassen. Das gehörte mit zu seinem Spiel, er war
stolz darauf, den beschränkten Bullen zu zeigen, womit er sie so
lange ausgetrickst hatte.
»Meine Zuteilung ist leider so niedrig, daß ich nicht
in dem Umfang fahren kann, wie ich gerne möchte, Mister
Sharkey«, sagt der Minitaxi-Unternehmer. »Sie haben sicher
bemerkt, wie vorsichtig und sanft ich beschleunige. Das mache ich, um
Treibstoff zu sparen. Unsereiner fragt sich, woher dieses weiße
Gesindel das Benzin für seine Blechkisten bezieht. Alles
Verbrecher, und Verbrecher kriegen angeblich keine Benzin-Rationen.
Aber sie haben mehr als ich, ein ehrlicher Mann, der sich seinen
Lebensunterhalt durch harte Arbeit verdient. Sie haben genug, um den
ganzen Tag rumzudüsen und nach Opfern zu suchen.«
»Ich weiß«, pflichtet ihm Alex bei.
»Fünf Schüsse. Peng, peng! Einfach so!«
Der Fahrer nimmt die Hände vom Steuer und klatscht zweimal. Er
schaut Alex durch den Rückspiegel an. »Sie sagen, daß
einer der Jungen vermutlich nicht durchkommt. Kopfschuß. Zwei
weitere sind verwundet, aber nicht lebensgefährlich. Vielleicht
lernen sie daraus und halten sich in Zukunft von dort fern, Mister
Sharkey. Es ist kein Ort für
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