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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Welt ist unerbittlich – du kannst ihr nicht
entrinnen.
    Und doch, er mag Alice. Sie ist etwas älter als die meisten
der halbwüchsigen Mädchen, die für Ma Nakome arbeiten.
Alice bedient an einigen Abenden im Restaurant und hat nur wenige
auserwählte Kunden. Er kann mit ihr reden, hinterher, und sie
liegt da und hört ihm zu oder tut zumindest so, und das ist
tröstlich.
    »Manchmal würde ich am liebsten in einem Kloster
leben«, sagt Alex.
    Ma Nakome boxt ihm lachend in den Arm und macht Anstalten
aufzustehen, ein sommerlicher Berg, der sich erhebt. »Du bist
ein verrückter Kerl«, sagt sie.
    Alex bezahlt und nimmt ein Taxi ohne Lizenz. Es wird von einem
jungen Armenier gesteuert, dem er den Weg zu seinem Schlupfloch genau
beschreiben muß. Der Armenier versucht Alex einen STP-Trip zu
verkaufen und kann nicht verstehen, warum sein Fahrgast sich vor
Lachen nicht mehr einkriegt.

 
6    Der Traum von Alfred Russel
Wallace
     
     
    Alex kämpft gegen den Schlaf an. Er steht neben dem Computer,
barfuß auf sandigem Beton, die Sohlen eiskalt. Er ist nackt bis
auf ein T-Shirt. Schweiß rinnt ihm über die schwabbelige,
unbehaarte Brust und die unförmigen Flanken. Es ist drei Uhr
dreiunddreißig. Ein Omen. Er wird das Gefühl nicht los,
mit jemandem gesprochen zu haben, und genau in diesem Moment klingelt
das Telefon laut und schrill in die Stille und Schwärze der
Nacht.
    Alex nimmt den Anruf argwöhnisch entgegen, läßt
die Fingerspitzen über den Tasten schweben, ehe er den Code
eintippt. Zuerst empfängt er nichts außer einem griesigen
Flimmern auf dem kleinen Bildschirm des Telefons und einer Art
Meeresbrandung im Hörer, wie das Rauschen des Blutes, das durch
die Arterien seines Innenohrs pulsiert. Dann beginnt sich der
statische Schnee zu lichten und wirbelt davon, als treibe ihn ein
elektronischer Sturm vor sich her, und dahinter erscheint das Gesicht
eines jungen Mädchens, körniges Schwarzweiß, in das
allmählich Farbe fließt.
    »Ich kenne dich doch«, sagt sie. »Du bist Captain
Marvel.«
    Sie ist vielleicht zwölf, und ihr rundes, ernstes Gesicht
wird von glattem schwarzem Haar umrahmt. Sie hat irgendeinen
mitteleuropäischen Akzent.
    »Miracle Man«, verbessert Alex. Das ist der
Äthername, den er im BB K-Leben benutzt.
    »Ich bin Alfred Russel Wallace«, sagt das kleine
Mädchen. »Wir haben uns schon mehrfach in BB-Konferenzen
unterhalten. Außerdem horche ich rein, wenn du mit anderen
diskutierst. Daher kenne ich dich. Und deshalb bin ich zu dem
Schluß gekommen, daß ich dein Wissen nutzen
könnte.«
    Alex kann nicht anders, er muß lachen. Alfred Russel
Wallace, der Naturgelehrte, dessen Theorien über die
natürliche Zuchtwahl Darwin letztlich dazu brachten, seine
Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, ist der Äthername
eines brillanten und gefürchteten K-Leben-Hackers, der vor etwa
einem Jahr in der Szene auftauchte und bei dem es sich aller
Wahrscheinlichkeit nach um einen akademischen Einzelgänger
handelt. Dieses kleine Mädchen stellt eine kühne Behauptung
auf, die es erst mal beweisen muß.
    »Manchmal glaube ich, daß du einem Traum entsprungen
bist«, fährt das kleine Mädchen fort. Ihr Lächeln
ist kaum zu erkennen. Ihre dunklen Augen sind ernst und gelassen, ins
Unendliche gerichtet. »Einem Fiebertraum.«
    Alex erinnert sich, daß Wallace der Gedanke einer
natürlichen Auslese durch Überleben der am besten an ihre
Umwelt angepaßten Arten kam, als er sich im Dschungel von
Borneo in seiner Hängematte hin und her warf, weil er an
Sumpffieber litt. Auch Darwin litt unter häufigen
Fieberanfällen. Die Theorie der Evolution war ein Fiebertraum,
der die versteinerten Hierarchien des Viktorianischen Zeitalters
wegbrannte.
    »Du hast Probleme mit den Randgleitern«, sagt das kleine
Mädchen.
    »Nun ja, jeder hat seine Probleme mit den
Randgleitern.«
    Alex hatte sich nach seiner Rückkehr von Ma Nakome in eine
BB-Diskussion zu diesem Thema eingeschaltet. Das Zuhause von
Randgleitern sind die Außenbezirke der Tafellandkarten,
über die sich die traditionellen K-Leben-Ökologien
erstrecken. Sie fristen ihr Dasein am Rande des Vergessens, aber
kürzlich wurde ihr marginales Habitat von einer Parasiten-Art
überfallen, die sich an ihnen festhakt und mit der Zeit ihre
Energie aufzehrt.
    Die Parasiten haben sich aus Huckepack-Organismen entwickelt,
welche die in großen Scharen auftretenden Clusterfucks
infiltrieren, gefräßige, amorphe Kolonien, die sich von
ihren eigenen Toten

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