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Feenring (German Edition)

Feenring (German Edition)

Titel: Feenring (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Robertson
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ob »unser Vorhaben« mehr umfasste als eine Lateinstunde – zum Beispiel, dass mir meine Vorgängerin eine weitere Lektion in Sachen Liebe erteilte.

31
    Ich folgte Sieben über die Hinterbühne und eine Wendeltreppe in der Nähe des Lastenaufzugs hinunter. Für den Fall, dass sie sich immer noch um die Ausweitung meiner emotionalen Beziehung zu Menessos sorgte, bereitete ich mich schweigend auf eine Moralpredigt vor.
    Die Zimmer, die sie mit Mark teilte, waren so groß wie meine Räumlichkeiten und durch hauchdünne weiße Vorhänge abgetrennt. Der Wohnraum hatte braungraue Wände mit olivgrünen und goldenen Akzenten. Über drei in Stein gemeißelten scherenschnittartigen Kunstwerken und einem trübe erhellten Schaukasten zierten Teile eines steinernen Frieses die linke Wand. Ich schlenderte näher und erkannte ringsum ein Diadem mit einem ultramarinblauen Kobrakopf, kleine, rubinrote Skorpione und amethystblaue Skarabäen. Auf der anderen Seite einen Handspiegel, dessen angelaufenes Silberrund vom Kopf Hathors eingerahmt war und in einen Griff aus Obsidian auslief.
    Wie Menessos’ Büro ließ auch dieser Raum an ein Museum denken.
    Während ich mich umsah, fiel mein Blick auf das zentrale Ausstellungsstück: Es zeigte einen Ba mit dem Körper eines Vogels und dem Haupt eines Menschen. Nicht ganz die altägyptische Entsprechung einer Menschenseele, doch immerhin einer der essenziellen Bestandteile dessen, was einen Menschen menschlich machte. Im Fall dieser Schnitzerei saß der Ba in den Zweigen eines unverwechselbaren Baumes. »Ist das eine Weide?«
    »Ja«, nickte Sieben. »Gefällt’s Ihnen?«
    Ich dachte an den Zauberstab aus meiner Meditation – den Menessos nach dem Ritual vermutlich mit dem übrigen magischen Gegenständen weggeräumt hatte – und fragte: »Was hat es zu bedeuten, dass der Bain diesem speziellen Baum hockt?«
    »Das ist Osiris.«
    »Der ägyptische Gott der Unterwelt«, brummte ich.
    »Die Weide, so glaubte man, gewährte Osiris Obdach, während sein Ba in den Zweigen saß.«
    »Interessant.«
    Sieben verschränkte die Arme, knickte in der Hüfte ein und entgegnete: »Viel interessanter finde ich, dass Sienach griechischen und ägyptischen Göttinnen heißen, deren Gefährten Götter der Unterwelt waren.« Sie musterte mich aus leicht zusammengekniffenen Augen, ohne dass diese ihr verschlagenes Leuchten annahmen. So fiel es mir leichter, ihrer Inspektion ungerührt standzuhalten.
    Ich wählte meine Worte genau, um möglichst etwas zusammenzukriegen, das unsere Diskussion vor der Erus-Veneficus-Zeremonie aufgriff, als sie sagte: »Setzen wir uns dorthin.« Sie wies auf ein Tischchen und zwei Stühle mit roten Lederpolstern. Ich legte den Trivium-Kodex auf das Marmortischchen und schlug die Seiten auf, die Menessos diesmal für mich markiert hatte.
    * * *
    Kurz nach Mitternacht war die Übersetzung fertig, und wir hatten ein paar Probeläufe hinter uns. Sieben war die Höflichkeit selbst gewesen und hatte in einem freundlich singenden Tonfall mit mir gesprochen, der mich sofort entspannte. Kein Wort über Johnny, keine bohrenden Fragen, warum wir beide im selben Moment Unterstützung gebraucht hatten. Um die gute Stimmung nicht zu verderben, sagte ich: »Ich bin total beeindruckt, wie gut Sie Latein können.«
    »Als deutlich wurde, dass ich sprachbegabt bin, brachte man mir viele Fremdsprachen bei. Außer Englisch und Latein spreche ich fließend Griechisch, einige weitere alte Sprachen sowie die wichtigsten romanischen Sprachen und Russisch.«
    Fast hätte ich gesagt »Was? Kein Chinesisch?«, vermied es aber, die Klugscheißerin raushängen zu lassen. Sie hätte mir locker in einem Dutzend Sprachen übers Maul fahren können. »Hatten Sie diese Gabe schon, ehe Sie die Lustrata wurden?«
    »Ja.« Sie strahlte, als sie sagte: »Ich bin mit den besten Lehrern groß geworden, die man kriegen konnte, und mir stand eine umwerfende Bibliothek zur Verfügung. Wie war Ihre Kindheit?«
    »Hmm. Mir stand als Kind bloß eine anstrengende Großmutter zur Verfügung.«
    Entgegen meiner Erwartung belustigte das Sieben nicht. Stattdessen lehnte sie sich entspannt zurück. »Wenn Ihnen zu meiner Bibliothek und meinen Lehrern nichts anderes einfällt, muss sie einen beträchtlichen Eindruck hinterlassen haben.«
    »Sie hat mich aufgezogen.« Mich überkam der Zwang, mich um Nana zu kümmern und herauszufinden, ob sie und Beverley wohlbehalten zu Hause geblieben waren und auch vorhatten, dort zu

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