Feenring (German Edition)
Etwas, das nicht zum Restaurant gehörte, aber dennoch darin vorhanden war. Irgendwie holzig, wie die Zedernholznote in Johnnys Duft, doch ohne die Beimischung von Salbei.
»Du musst auf so etwas achten, Persephone.«
»Also sage ich besser nichts, das sie nicht wissen sollen?«
»Richtig.«
»Meinst du wirklich, die würden lauschen und uns verpetzen?«
»Bist du bereit, das Risiko einzugehen?«
Die Bedienung stellte die Cola light vor mich hin. »Das Chili kommt sofort.«
Ich wartete, bis sie weg war. »Du hast Gelassenheit zur Kunstform erhoben, und ein Gefühl dafür, dass die Zeit vergeht, hast du auch nicht, oder?«
»Nein.«
»Als Kind kommt einem die Zeit endlos vor, trotzdem vergehen die Stunden wie im Flug, wenn man spielt, und die Schlafenszeit kommt auf leisen Sohlen. Ist es so für dich?«
»In etwa. Die Kindheit taugt wahrscheinlich ebenso gut als Vergleich wie sonst irgendwas. Kinder sind stets auf neue Herausforderungen versessen, ihr Lebenshunger ist unersättlich, und ums Altern machen sie sich keine Sorgen.«
Ich lachte leise.
»Erwachsen werden bedeutet, sich daran zu gewöhnen, alles zu planen. Eine neue Herausforderung anzunehmen, die das Leben verändern könnte, wird allmählich zur Zumutung. Sich selbst zu verwirklichen verschwindet hinter der Notwendigkeit, Geld zu verdienen, damit man sein Soll erfüllt.« Die Finger seiner Hand trommelten teilnahmslos auf dem Tisch. »Wohlhabend sein ist eine bessere Analogie. Wohlhabend zu sein macht den Überlebenskampf unnötig und schafft die Bedingungen für Selbstverwirklichung.«
Die Bedienung brachte mein Essen. Die dunkelgrünen Poblano-Chilis waren mit Spargel, Zucchini, Tomaten und Pfefferschoten gefüllt. Es duftete vortrefflich.
»Warum hast du dich gegen Fleisch entschieden?«
Ich stieß meine Gabel ins Essen. »Wie dir jeder halb verhungerte Student bestätigen kann, ist Fleisch kostspielig. Bohnen aus der Dose dagegen nicht. Also kam es vermutlich von ganz alleine so.«
»Durch deine Beziehung zu Johnny wird sich das wahrscheinlich ändern.«
Tatsächlich hatten die Fleischgerichte, die Johnny seit Wochen in meinem Heim zubereitete, sehr verlockend gerochen, und ich hatte schon mehr als einmal um ein Haar nachgegeben und mitgegessen. »Beziehung?«
»An ihn hast du dich auch gebunden«, sagte er knapp.
Meine Gabel verharrte auf halbem Weg zum Mund.
»Wie soll ich dir das erklären, ohne in aller Öffentlichkeit deine übrigen Titel zu nennen? Was du bist, was er ist, die wechselseitige Prägung. Es handelt sich noch nicht eine formelle Verbindung, wie du sie sonst gehabt haben magst, aber um etwas Ähnliches.«
»Noch nicht?« Ich legte die Gabel hin.
»Iss.«
»Erklär.«
»Wenn wir unter uns sind und wenn du tust, was ich sage, wird es nicht mehr lange dauern, bis du für dich bist.«
* * *
Als wir das Restaurant verließen, war es noch nicht ganz zweiundzwanzig Uhr, schien aber schon später zu sein. Johnny würde frühestens in einer Stunde eintreffen, ich hatte es also nicht eilig. »Die Tage werden kürzer«, sagte ich. Die Sonne war schon um achtzehn Uhr dreiundzwanzig untergegangen.
»Die Jahreszeit ermöglicht Vampiren ein längeres Leben.«
Das machte die Kälte gleich viel plausibler, weil sie die Menschen dazu zwang, die Sicherheit ihrer vier Wände nicht zu verlassen, aber ich verkniff es mir, das laut zu sagen.
Wir kehrten auf demselben Weg wie zuvor ins Theater zurück, doch jetzt kamen wir an weniger Pappkartons vorbei. Inzwischen waren in dem Raum fast vierzig Vampire und Betrachter am Werk. Als Menessos und ich eintraten, verstummte das Hämmern, und die Arbeiter blickten uns nach, während wir uns der Bühne näherten.
Wir waren circa eine Stunde unterwegs gewesen, ausreichend Zeit für sie, sich einen weiteren Abschnitt des glänzenden schwarzen Bodens vorzunehmen. Auch der Bereich unter der Bühne war zur Hälfte blockiert, und Sieben hatte anscheinend die Zeit gefunden, jedermann mitzuteilen, dass der Meister zurzeit mit der furchtlosen neuen Erus Veneficus um die Häuser zog. Wenigstens hatte er mich nicht an der Hand durchs Theater geführt. Stattdessen war ich, wie es sich für ein großes Mädchen gehörte, alleine gegangen. Beeilt hatte ich mich bloß, um mit ihm Schritt zu halten und nicht, um so schnell wie möglich an all den Fangzähnen vorbeizustürmen. Echt!
Oben an der Treppe gab Menessos die Ziffern für das Schloss ein – ich musste den Code unbedingt selbst kennen – und
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