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Feenring (German Edition)

Feenring (German Edition)

Titel: Feenring (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Robertson
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Ruf und ließen meine Knie weich werden. Also lag es an mir, mich gegen seine Verführung zu wappnen. Nicht nur, damit ich nicht, wie in meinem Keller, den Kopf verlor, sondern weil mir klar war, dass ich es furchtbar bereuen würde, wenn ich der Leidenschaft, die er in mir weckte, nachgab.
    Wenn ich wollte, dass Johnny sich mit mir begnügt, schuldete ich ihm ebenfalls Treue.
    Die Hitze in mir begann, sich abzukühlen.
    Während seine Züge sich entspannten, ließ Menessos von mir ab. Seine Finger fuhren sanft durch das Haar an meiner Schläfe, dann lösten sich die Strähnen aus seinem Griff, und ich schauderte.
    »Die Betrachter arbeiten tagsüber weiter in Schichten.« Er zog sich entspannt von mir zurück. »Meine Leute werden rund um die Uhr arbeiten. Die Arbeiten im Auditorium werden in zwei Tagen abgeschlossen sein. Die Zeremonie findet am Freitag statt.«
    Seine plötzliche Sachlichkeit erinnerte mich daran, dass ich mich einige Tage hier aufhalten würde, ob es mir gefiel oder nicht.
    »Darf ich dich zum Essen ausführen? Es gibt einige sehr gute Restaurants in der Gegend.«
    »Ich habe mit Nana und Beverley gegessen.«
    »Eine winzige Portion.«
    »Wie kommst du darauf?«
    Seine Lippen erzitterten. »Ich weiß, dass es so war. Ich verstehe mich sehr gut auf deinen Körper.«
    Zwanzig Minuten später waren wir draußen, und ich wies auf das Restaurant direkt nebenan – über dem misslungenen Versuch eines formellen Eingangs prangte die hintere Hälfte eines altmodischen Cadillacs mit Haifischflossen samt Neonschild. »Da?«
    »Nein.«
    »Schlecht?«
    »Keine Ahnung. Aber der Chef hat drastisch deutlich gemacht, dass er unsereins nicht leiden kann. Daher habe ich meinen Leuten verboten, dieses Etablissement auch nur zu betreten. Seine Voreingenommenheit wird sich negativ in den Einnahmen niederschlagen.«
    »Gut. Wohin dann?« Ich knöpfte meine Jacke zu.
    Während ich seine Antwort abwartete, betrachtete ich den perfekten Schnitt seines Anzugs. Seit der »Übernachtung« im Heu in meinem Keller hatte er sich umgezogen. Seine Anzüge standen ihm immer so gut, wie es nur bei feinster Kleidung möglich war, doch an diesem Abend wirkte er irgendwie besonders männlich. Er trug keinen Schlips, und sein Leinenhemd hatte er weder in die Hose gesteckt noch bis obenhin zugeknöpft. Ich betrachtete seinen stolzen Gang und den kundigen Blick, mit dem er die Bürgersteige vor und hinter uns im Auge behielt und jeden Aspekt unserer Umgebung maß.
    Er mochte noch so domestiziert wirken, unter der Oberfläche lauerte ein Raubtier.
    Und er mochte noch so modisch scheinen, in Wahrheit war er uralt.
    Er hatte Jahrtausende überdauert. Er hatte fast die gesamte bekannte Geschichte vom Heraufdämmern der ersten Zivilisation bis zu diesem Tag aus nächster Nähe gesehen, und doch schlenderte er nun, die Hände zwanglos in den Hosentaschen, neben mir her. Allem Anschein nach glücklich.
    »Wann hast du festgestellt, dass nichts mehr sein würde wie früher?«, konnte ich nicht umhin zu fragen.
    Er blieb unter dem Sonnendach des House of Blues stehen und überlegte.
    »Was aus mir geworden war, ließ mich oft verzweifeln, aber Una und Ninurta waren allzeit für mich da und trösteten mich, und ich war für sie da.« Bis zu diesem Augenblick hatte er mich, während er redete, ernst angesehen, doch nun gerieten seine Worte ins Wanken, und er blickte an mir vorbei – was jedoch nicht darauf schließen ließ, dass er die Unwahrheit sagte. Ich spürte, wie sein Kummer die Oberhand gewann. »Wir trauerten«, fuhr er fort. »Wie bei einem Kinderlied trauerten wir nach derselben Melodie, im Kanon, aber allzeit gemeinsam. Wir hatten gemeinsam geliebt, und wir waren gemeinsam verflucht worden. Aber gemeinsam waren wir stark, und eine Zeit lang sah es aus, als würde es immer so bleiben. Der Tag der Abrechnung kam, als Ninurta sich umbrachte.«
    »Ninurta?«
    »Auf ihm lastete der Fluch des Mondes.«
    »Er hat sich umgebracht?« Ich berührte Menessos’ Arm. »Das tut mir leid.«
    »Una und ich nahmen seine Leiche und legten sie ins Grab.« Er atmete tief die eisige Nachtluft ein.
    Ich wartete. In Gedanken versunken sah er die Euclid hinunter. Der Wind vom Eriesee blies nur schwach, aber schon so kalt, dass ich meine Atemzüge sehen konnte – undJohnny war bei dem Wetter mit dem Motorrad unterwegs. Ich wünschte, meine Jacke wäre ein wenig dicker, und eine schöne, heiße Tasse Kaffee hätte ich jetzt auch gerne getrunken und mit den

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