Feenring (German Edition)
zwischen Kiste und Deckel versteckt. Als ich sicher war, auch das letzte Stück knirschenden Schaumstoffs dahin zurückgestopft zu haben, wo es hingehörte, klappte ich den Deckel zu und machte mich daran, die Kiste ganz alleine wieder in das Regal zu schieben. Was nicht leicht war, aber Beau bot mir keine Hilfe an.
Ich klopfte mir den Staub von den Händen und bedeutete ihm damit, dass ich meinen Job erledigt hatte. »Wozu dient der Schlüssel?«
»Hier lang.«
Darauf statteten wir dem öffentlich zugänglichen Bereich des Geschäftes einen weiteren Besuch ab. Beau öffnete eine Kiste, hob den Filzbelag des untersten Fachs an und offenbarte ein Schloss. Er schob den Schlüssel hinein, lupfte das Fach und brachte etwas zum Vorschein, dass man nur als hölzerne Aktenmappe beschreiben konnte. Ein Schlag, und die Registrierkasse flog auf, Beau legte den Schlüssel in die Schublade, die Registrierkasse schloss sich wieder. »Ins Büro.«
Hoffentlich war diese Prozedur bald mal vorbei.
Als Nächstes drehte er den Knauf an der ersten Tür, zog an der Schnur, die an der Deckenlampe baumelte, und eine trübe Vierzigwattfunzel erhellte wenig mehr als den in der Luft trudelnden Staub.
Beau legte die Aktenmappe auf den Schreibtisch. Ich musterte das vor uns liegende Ding: verrostete Scharniere, angelaufenes Holz. Beau langte in seine Hosentasche und brachte einen Schlüsselring ans dürftige Licht, der jeden Hausmeister mit Stolz erfüllt hätte. Es gab mindestens vierzig Schlösser auf der Welt, die Beau öffnen konnte. Ich pflanzte mein Hinterteil auf den rostfleckigen Metallklappstuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs und hoffte, dass er wusste, welchen Schlüssel er jetzt brauchte.
Nachdem die ersten drei Schlüssel nicht passten, vertraute er mir an, dass er diese Aktenmappe seit über zehn Jahren nicht mehr geöffnet und sie sogar vollständig vergessen hatte, bis ich ihm mit meinem Schutzbedürfnis gekommen war. Beau hatte auf mich nicht den Eindruck eines zerstreuten Professors gemacht, doch als die Sekunden unermüdlich verrannen, ertappte ich mich dabei, dass ich es mir anders überlegen wollte.
Drei volle Minuten später hörte ich das Schloss klicken und Beau murmeln: »Der ist es natürlich.«
Er verpasste der Mappe eine Vierteldrehung und klappte sie dann auf. Ich hatte erwartet, beide Seiten würden wie zwei Präsentierteller flach auf dem Schreibtisch aufliegen, doch da hatte ich mich geirrt. Die »Aktenmappe« öffnete sich viel mehr wie ein Pop-up-Buch. Dünnes, leuchtend bunt bedrucktes Papier schuf eine aus Einhörnern, Greifen, Phönixen und Drachen bestehende Szenerie, die Beau mich ausgiebig von allen Seiten betrachten ließ.
Noch nie hatte ich so ein schönes Pop-up-Kunstwerk gesehen. In der Mitte bezogen vier größere Ausgaben der Fabelwesen Stellung, wie auf einem Familienwappen, und stützten einen Bereich des Papiers, der wie ein Origamiwürfel gefaltet war. Kolorierung und Ausführung verrieten mir, dass jedes Tier für eins der vier Elemente stand.
»Gefällt es Ihnen?«
»So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich kenne unterschiedliche von Hexen verwendete Symbole für die vier Elemente, aber diese Geschöpfe habe ich noch nie dafür stehen sehen.«
»Sie sind mehr alsBildzeichen. Sie sind die Verkörperung von Erde, Luft, Feuer und Wasser.«
Ich schüttelte den Kopf. »Elementare sind Geister.«
»Warum?«, widersprach Beau. »Weil Sie nie etwas anders kennengelernt haben?«
»Ja.«
Er rümpfte die Nase. »Ein Elementar ist der Geist eines Elements, und Elementare sind in diesen Kreaturen verkörpert. Haben Sie nicht mit dem Blutsauger, der Sie hergeschickt hat, darüber gesprochen?«
»Nein.«
Er war überrascht, doch das ließ rasch nach. Dann brummte er: »Natürlich überlässt er es mir, es Ihnen zu sagen.«
»Mir was zu sagen?«
Er wies auf das Pop-up-Buch. »Dass es nur darum geht.«
Ich wusste, er meinte nicht die Kunst an sich.
»Die Feen kamen eigentlich nur aus einem Grund hierher: um die Elementare dieser Welt zu rauben. Die ihrer Welt hatten sie längst vernichtet. Deshalb schlossen sie damals den Pakt mit Menessos und seinesgleichen. Spulen wir mal ein paar Tausend Jahre vor; die Feen haben es satt, nach der Pfeife der Hexen zu tanzen. Also bieten sie zum Schutz der magischen Kreise die Elementargeister auf, und der WEC nimmt das Angebot an.« Er schüttelte den Kopf. »Er steckte auch hinter dem Konkordat, da bin ich mir sicher.« Er hielt inne. »Die
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