Feenring (German Edition)
womöglich irgendwo aufgehalten und später erst hineingelassen wurden.
Was das offizielle Interesse anging, so war ich »fertig« im Sinne von »vorbereitet«, also angezogen und in der Lage, mit der Zeremonie zu beginnen. Das freizügige Kleid klebte mir am Leib – und würde es vermutlich in die Nachrichten schaffen – , und man hatte mich angewiesen, nicht zu fest aufzutreten oder im Stechschritt in den Saal zu marschieren. Risqué hatte mich so lange üben lassen, wie ich auf den verfluchten hochhackigen Stiefeln laufen musste, bis ich mit einiger Selbstsicherheit und Anmut darin aufzutreten vermochte.
Doch was mich selbst anging, war ich keineswegs »fertig« im Sinne von »einsatzbereit«. Wenigstens jetzt noch nicht, und Johnny war auch noch nicht wieder aufgetaucht. Wo steckte er bloß? Wehe, wenn Menessos schuld an seinem Fernbleiben war …
Drinnen hörte ich gedämpftes Stimmengewirr, dann begann die Musik zu spielen, worauf die Stimmen allmählich verstummten. Risqué hatte gesagt, wenn die Türen sich öffneten, solle ich eintreten. Dann würde ich zur Musik und im Scheinwerferlicht über den roten Teppich bis zu den Stufen zur Bühne schreiten. Ich würde die Treppenstufen zur Bühnenmitte hinaufsteigen, wo Menessos bereits auf mich wartete. Womit ich von da an rechnen musste, hatte sie mir nicht verraten.
Verdammt, verdammt, verdammt, nun wurde ich also die Hofhexe eines Meistervampirs; ich hatte fast nichts an und kam so auch noch ins Fernsehen; Johnny war nicht da, und wer auch immer der WEC -Verräter war – von allen anderen möglichen Feinden mal ganz abgesehen – , konnte dieses Ereignis gut für einen Angriff nutzen. Also tief durchatmen.
Hinter den Türen verklang die Musik, Menessos hob die Stimme und wandte sich an die Anwesenden. Meine Hand verirrte sich zu dem Vampirbiss an meinem Hals. Lieben Sie ihn, wie er Sie liebt .
»Meine Vampire, geschätzte Nährlinge, geliebte Betrachter, Medienvertreter, Gäste – ich heiße Sie alle zu unserer Zeremonie willkommen. Um Offenheit zu demonstrieren und uns der Öffentlichkeit zu zeigen … « Und so ging es mit seiner Eröffnungsansprache weiter.
Dermaßen ausgeliefert war ich der Inbegriff der Verwundbarkeit. Ein Lockvogel. Doch dank Beau und Xerxadrea war ich nicht wehrlos.
Um jedoch ruhiger zu werden, so stellte ich fest, benötigte ich Johnny.
Dann hörte ich Menessos flüstern, als stünde er direkt neben mir: »Komm.«
Die Türen vor mir flogen auf.
Alle standen auf. In den Sekunden, bevor das Blitzlichtgewitter meine Netzhaut versengte, entdeckte ich ein Diskjockeypult (hinter dem sich, wie mir das Logo verriet, Jaded Jason verschanzte) sowie einen Extrabereich für die Nachrichtenteams (wo die Leute von Channel 3, 6 und 43 wunderbar miteinander auszukommen schienen). Etwas anderes konnte ich aufgrund der Kameras und der Bühnenbeleuchtung unmöglich erkennen.
Ich bemühte mich, nicht zu blinzeln, und stellte fest, dass ich direkt vor mir, am anderen Ende des langen Mittelgangs, die gleichmäßig ausgeleuchtete Bühne mit Menessos auf seinem Thron und Goliath zu seiner Rechten sah. Die Monitorreihe hinter ihnen zeigte die stilisierten Fänge, die ich schon am Sperrholz neben dem Theatereingang entdeckt hatte.
Wo war er?
Goliath Kline sah mir von der Bühne aus in die Augen. Obwohl Menessos die Bühne offensichtlich beherrschte, besaß auch Goliath beachtliche Bühnenpräsenz: groß, nordischer Typ, wie ein Supermodel, Augen in der Farbe von Vergissmeinnicht im Sommer … er hatte nichts von seinem jüngeren Bruder Samson, dessen Geist in meinem Protrepticus wohnte – der jetzt in einem schwarzem Samtfutteral an einem Gürtel steckte, den ich mir um die Taille gebunden hatte. Risqué hatte sich auch über diese Ergänzung zum Ensemble ihres Chefs mokiert und sich über meine angebliche Angst lustig gemacht, einen Anruf zu verpassen. Sollte sie doch. Sie musste ja nicht wissen, was der Protrepticus wirklich draufhatte.
Ich hörte die Musik lauter werden. Die Saalbeleuchtung verdunkelte sich ein wenig, sodass der rote Mittelgang heller wirkte. Mein Einsatz.
Das Kinn erhoben, die Schultern gestrafft, ging ich zu der Melodie des Orchesters voller Glanz und Gloria weiter, meine Schritte waren so selbstsicher wie eh und je.
21
Mehrere Stuhlreihen im Hintergrund waren weniger hochrangigen Gästen und Betrachtern vorbehalten, an denen ich nun vorbeikam, während ich mich aufs Gehen und die Bühne vor mir konzentrierte. Meine
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